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Vier gegen einen: Und trotzdem ist gegen Kobe Bryant kein Kraut gewachsen.

Foto: AP/Terill

"Nicht schlecht für einen alten Mann", sagt Kobe Bryant dieser Tage, nachdem er zum wiederholten Male über 40 Punkte in der noch jungen NBA-Saison erzielt hatte und seine Los Angeles Lakers zum nächsten Sieg geführt hat. Bryant ist jetzt 33 Jahre alt und Kritiker meinen, seine Beine seien müde nach 16 Saisonen und über 1300 Basketballspielen. Er hält jetzt jedenfalls bei 364 Punkten nach zwölf Spielen, und nur ein 33-Jähriger erzielte mehr Punkte zu Saisonbeginn: der andere King, Bernard King, der für die Washington Bullets 1990 sieben Punkte mehr auf sein Konto brachte.

Vielleicht hat Bryant aber auch einfach nur neue Facetten in die Diskussion über sich selbst, den egoistischsten Spieler der Liga, gebracht. Letzte Woche gegen Houston hatte er nach einem Zug zum Korb keinen Platz zum Werfen, also passte er sich den Ball selbst über das Brett zu, fing ihn in der Luft und vollendete per Korbleger. Wer sagt, dass Kobe Bryant nicht passt?

Ein Assist für Bryant

"Dafür hätte ich einen Assist bekommen sollen", sagte Bryant nach dem Spiel. "Weil es eine absichtliche Aktion war." Der fünffache NBA-Champion war immer schon eine unaufhaltsame Wurfmaschine, so viele Bälle wie heuer ließ er aber schon lange nicht mehr fliegen. 30 Würfe pro Spiele, ingesamt 71 mehr als der mit den nächstmeisten Versuchen, Pau Gasol. Und obwohl er weniger trifft, sind die Lakers in der Western Conference unter den besten drei Teams und vor den stadtrivalisierenden Clippers, die Heimbilanz lautet 7-1. Zu Saisonbeginn war in den US-Medien vom Untergang der Lakers schwadroniert worden, eine klare Wachablöse in L.A. sieht anders aus. Eine weitere Gelegenheit, die Kräfteverhältnisse geradezurücken, bietet sich für die "Black Mamba" (die schnelle und präzise Schlange, so der Spitzname Bryants) schon am Samstag, wenn die Clippers zum ersten Stadtderby der Saison bitten.

Dieser Mann ist Vertreter einer eigenen Spezies. Trotz eines geschwollenen Handgelenks und einer durchschnittlichen Trefferquote nennt Bryant über 40 Minuten gesehen die meisten Ballbesitze sein Eigen (38.3). Danach folgen erst Carmelo Anthony (NYK, 33.3), Russell Westbrook (OKC, 32.7), Kevin Durant (OKC, 31.8) und Blake Griffin (LAC, 31.5). "Ja", sagt er, "und ich habe auch fünf Meisterschaften gewonnen." Und vergisst dabei, dass die Lakers eine Bilanz von 29-4 haben, wenn ihr Center Andrew Bynum 20 Punkte macht.

Eine Frage der Dauerhaftigkeit

Kobe Bryant ist angestachelt: Der Scheidungsprozess von seiner Ex-Frau ist für den Fremdgänger in vollem Gange, David Stern hat ihm seinen Traum von einer Zusammenarbeit mit Spielmacher Chris Paul zerstört und sein All-Star-Buddy Lamar Odom hat ihn auch verlassen. Seinen Frust weiß Bryant scheinbar gut zu kanalisieren, nämlich auf dem Feld. Seine 48 Punkte gegen Phoenix wirkten wie eine Fehde mit einem Verein, den er einfach verabscheut. Sein Coach Mike Brown sagt: "Im Moment erlaubt es Kobe mir, ihn zu coachen."

Kein Experte hält die Lakers noch für einen ernsthaften Anwärter auf die Meisterschaft, die Favoriten sind vielmehr Miami, Chicago und Oklahoma City. Schon jetzt ist L.A. eines der wenigen großen Teams, deren Kader an Qualität verloren hat; als Zugänge wurden mit Josh McRoberts, Jason Kapono und Gerald Green keine großen Verstärkungen geholt, es fehlt weiterhin eine zweite zuverlässige Option in der Offensive - aber Kobe Bryant verneint trotzig die Realität und nimmt weiter das Heft in die Hand. Ob er seinen Gegnern über eine Dauer von 66 Spielen die Hütte anfüllen kann, darf jedoch bezweifelt werden. (Florian Vetter, derStandard.at, 12.1.2012)