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40 Prozent der Befragten sagen, dass die österreichischen Boulevardmedien bewusst negativ über Zuwanderung berichten; 33 Prozent erwähnen explizit die "Kronen Zeitung".

Foto: APA/Pfarrhofer

Massenmedien spielen beim Thema Zuwanderung eine wichtige Rolle. Was aber im Bewusstsein von Österreichs Medienmachern präsent ist, muss sich noch lange nicht in der Berichterstattung widerspiegeln. 46 Prozent gehen nämlich von einem negativen Einfluss der Massenmedien auf den Integrationsprozess in Österreich aus, und sogar 57 Prozent sind der Meinung, dass die Berichterstattung über Zuwanderung tendenziell negativ ist. Die Speerspitze bilden dabei Boulevardmedien, glauben die Befragten, allen voran die "Kronen Zeitung", der 33 Prozent eine "ausländerfeindliche" Grundhaltung attestieren.

Das sind Ergebnisse, die Karin Zauner im Rahmen ihrer Dissertation "Zuwanderung - Herausforderung für Österreichs Medien"* zutage förderte. Die Kommunikationswissenschafterin hat für ihre Studie 40 österreichische Chefredakteure bzw. Geschäftsführer interviewt. Das Resultat wurde am Donnerstag präsentiert und anschließend am Podium diskutiert. Der Kontext, in den das Thema Migration eingebettet ist, wird von den Themen "Problem/Konflikt" (93 Prozent), "Kriminalität" (63 Prozent) und "Bedrohung/Angst" (28 Prozent) dominiert. Positive Beispiele werden zwar für sinnvoll erachtet (80 Prozent), kommen aber im Redaktionsalltag viel zu kurz.

Verantwortung

"Boulevard ist nicht gleich Boulevard", sagt Wolfgang Ainetter, Noch-Chefredakteur der Gratiszeitung "Heute", und will sich von Konkurrenten wie "Krone" und "Österreich" abgrenzen, denn: "Eine negative Berichterstattung ist bei uns in der Minderzahl." Ausdrücke wie "Tschetschenenbande" kämen in "Heute" nicht vor, seien aber in anderen Medien gang und gäbe, kritisiert er. "Wir haben als Zeitung eine Verantwortung."

Unter seiner Ägide, die erst im Februar begann und in drei Wochen schon wieder endet, sei das Thema Migration bewusst abseits von Klischees transportiert worden. Wenn es keinen direkten Zusammenhang zur Herkunft gibt, werde die Nationalität nicht erwähnt, versichert er. Das sei die Blattlinie - im Gegensatz zu Print-Konkurrenten, die mit Schlagzeilen wie "Türke vergewaltigt Wienerin" Ressentiments schürten. Boulevard müsse zwar emotionalisieren, aber nicht auf diese Weise. Mit "positiven Geschichten" solle ein anderes Stimmungsbild gezeichnet werden. Etwa mit jener über "Österreichs ersten schwarzen Feuerwehrmann", der das Titelblatt der Zeitung zierte, so Ainetter.

Gegen "Alibiberichte"

Das seie eine Geschichte, die es auf daStandard.at in dieser Form nicht gäbe, betont Olivera Stajić, Redaktionsleiterin der Plattform. Sie ist gegen solche "Alibiberichte", wo Menschen instrumentalisiert würden, um "schräge Bilder" zu erzeugen. "Nur weil jemand schwarz und ein Feuerwehrmann ist, ist das noch keine Geschichte", moniert Stajić. "Wir würden so etwas maximal in Zusammenhang mit einem Berufsporträt bringen."

Als negatives Beispiel wurde ein Bericht der "Kronen Zeitung" thematisiert, der vor kurzem unter dem Titel "Jährlich 50 kranke Inzest-Babys" erschien. Eine Folge von "Verwandtenehen", "betroffen sind zumeist Migrantenkinder", heißt es da. Als Quelle fungiert "ein AKH-Mediziner". Wie auf dem Medienwatchblog Kobuk zu lesen war, konnte das AKH den Inhalt des Artikels nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil, denn auch das Zitat komme sicher von keinem AKH-Mitarbeiter, ließ das Krankenhaus verlauten. Das Problem: Kobuk lesen einige Tausend, die "Krone" fast drei Millionen täglich.

Wenige Journalisten mit Migrationshintergrund

18 Prozent der in Österreich lebenden Menschen haben einen Migrationshintergrund, in Wien sind es sogar 38 Prozent. Und wie sieht es mit Diversität in Österreichs Redaktionsstuben aus? Laut Studienautorin Karin Zauner bewegt sich der Anteil gerade einmal bei 0,5 Prozent.

Eine unbefriedigende Situation, meint auch Ainetter und erzählt von "300 bis 400" Bewerbungen, mit denen er in seinem einjährigen Chefredakteursdasein konfrontiert war. "Nur einer hatte einen Migrationshintergrund." Es sei schwer, geeignete Leute zu finden. Eine journalistische Vielfalt, die einfach nur der gesellschaftlichen Realität Rechnung trägt, wünscht er sich für seine (ehemalige) Zeitung: "Schließlich hat 'Heute' den größten Anteil an Lesern mit Migrationshintergrund."

Genügend qualifizierte Leute

Stajić hält das für eine bequeme Ausrede, denn: "Wenn jemand gezielt nach Journalisten mit Migrationshintergrund sucht, wird er die auch finden." Es gebe genügend hoch qualifizierte Leute, die sich in dem Metier verwirklichen möchten. Das würden die vielen Bewerbungen, die es zum Start von daStandard.at gab, beweisen. Das Problem verortet sie nicht am Arbeitsmarkt, sondern primär in den Chefetagen der Medien, wo die gesellschaftliche Normalität noch nicht angekommen sei. Von einer "Migrantenquote" hält sie wenig, vielmehr könnte eine Art freiwillige Selbstverpflichtung der Medien Früchte tragen. Ein System, das zum Teil in Deutschland erfolgreich vorexerziert wird.

Gründe gesucht

Eine "Migrantenquote" in Österreichs Redaktionen lehnen laut der Studie 83 Prozent der Medienmacher ab. 63 Prozent identifizieren den Mangel an Deutschkenntnissen als Hauptproblem bei der Einstellung von Journalisten mit Migrationshintergrund. 23 Prozent führen Bewerbungsängste ins Treffen. Über ein eigenes "Diversitätskonzept" verfügt kein einziges Medium und 95 Prozent haben keine Ahnung, wie hoch der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund innerhalb der eigenen Rezipienten ist.

Als konkrete Handlungsempfehlungen destilliert Zauner aus ihren Daten zum Beispiel, dass Menschen mit Migrationshintergrund in die Media Analyse sowie in den Austrian Internet Monitor aufgenommen werden sollten, um den Medienmachern die Heterogenität ihrer Leserschaft vor Augen zu führen. Weiters appelliert sie an ORF und Co., nicht immer dieselben Vertreter aus den Communitys zu zeigen und den Expertenpool zu erweitern. "Einfach die Vielfalt zeigen, und das auf prominenten Sendeplätzen", so die Studienautorin. (om, derStandard.at, 12.1.2012)