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Von wegen keine Sorgen machen: Rund 60 Milliarden Euro hat Irland für Bankenhilfen ausgegeben. Die Verschuldung steuert auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu.

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Eamon Gilmore, Chef der Labor -Party, ist seit März 2011 irischer Vizepremier und Außenminister. Gilmore war anlässlich der irischen OSCE-Präsidentschaft zu Besuch in Wien.

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Standard: Über Italien und das marode Griechenland wird viel gesprochen, um Irland ist es still. Dabei steht das Land schlecht dar: Im dritten Quartal 2011 ist die Wirtschaft geschrumpft, das Defizit soll 2012 8,6 Prozent betragen. Das sind fast griechische Verhältnisse.

Gilmore: Es wäre ein Fehler, nur die Quartalszahlen zu betrachten: Übers vergangene Jahr betrachtet ist die irische Wirtschaft gewachsen. 2011 war zudem das erste Mal seit vier Jahren, dass der Nettoverdienst der irischen Arbeitnehmer nicht gesunken ist. Natürlich haben wir weiter viele Probleme: Viele junge Menschen verlassen das Land, weil sie hier keine Zukunft mehr sehen. Die Arbeitslosigkeit ist mit über 14 Prozent sehr hoch. Das müssen wir alles ändern. Aber nicht alles ist schlecht. Was das Defizit betrifft, sind die 8,6 Prozent hoch, aber das sind die Zahlen, auf die wir uns mit unseren Geldgebern Währungsfonds und EU geeinigt haben.

Standard: Irlands Staatsschuld steuert auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu. Braucht das Land nicht einen Schuldenschnitt?

Gilmore: Wir werden unsere Schulden ohne Abschläge bezahlen. Die EU hat bei ihrem Gipfel im Dezember klargestellt, dass die Entschuldung Griechenlands ein Einzelfall bleiben wird. Das war die richtige Entscheidung, denn die Unsicherheit davor hat viele nervös gemacht.

Standard: Aber Ihre Regierung arbeitet an einer Entschuldung light: Sie müssen den Gläubigern der verstaatlichten Anglo-Irish-Bank 30 Milliarden Euro bezahlen, ein Teil davon könnte gestrichen werden.

Gilmore: Das ist richtig, diese Diskussionen werden geführt. Wie das Ergebnis sein wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

Standard: Dem Vernehmen nach legt sich besonders die Europäische Zentralbank gegen eine Beteiligung der Banken quer. Warum macht Ihre Regierung nicht mehr Druck?

Gilmore: Ein Alleingang ist ausgeschlossen. Es ist immer sehr verlockend, auf Maßnahmen zu setzen, die schnell eine Erleichterung bringen. Dabei können sie auf lange Sicht gefährlich sein. Irland ist eine kleine, offene Volkswirtschaft. Wir exportieren 80 Prozent von allem, was wir produzieren. Wir hängen von Auslandsinvestitionen ab und sind derzeit auch auf die Finanzhilfe unserer Partner bei EU und IWF angewiesen. Es wäre sehr kurzsichtig, das alles aufs Spiel zu setzen. Unser Ziel ist es, das EU/IWF-Programm umzusetzen und abzuschließen.

Standard: Wird es in Irland ein Referendum über den Pakt geben, mit dem sich die EU zu mehr Haushaltsdisziplin verpflichten will?

Gilmore: Das wird davon abhängen, wie der Text des Fiskalpaktes am Ende ausschauen wird. Normalerweise wäre Irland dazu verpflichtet, über jede Änderung der EU-Verträge ein Referendum abzuhalten, sofern mit dem Vertrag die irische Verfassung geändert wird. In diesem Fall ist die Sache anders gelagert, weil nicht EU-Verträge geändert werden, sondern die betroffenen Länder einen bilateralen Vertrag aushandeln. Im Grunde sind zudem viele der geplanten Maßnahmen nicht neu, weil wir uns im Rahmen des EU/IWF-Programms schon an harte Auflagen halten müssen.

Standard: Würden Sie ein Referendum bevorzugen oder überwiegt die Furcht? Die Iren haben bereits zweimal eine EU-Vertragsänderung per Votum abgelehnt.

Gilmore: Wir würden bevorzugen, dass die Vereinbarung innerhalb Rahmens der irischen Verfassung bleibt und keine Abstimmung notwendig ist. Daran arbeiten wir.

Standard: Irland pocht darauf, Großbritannien doch in den neuen Fiskalpakt einzubinden. Warum?

Gilmore: Wir hätten es grundsätzlich begrüßt, wenn alle EU-Staaten beim Pakt mitgezogen wären. Für Irland ist Großbritannien besonders wichtig, weil wir sehr enge Beziehungen haben und eine gemeinsame Verantwortung für Nordirland teilen. Wir bemühen uns daher trotz des britischen Neins darum, London in die Diskussionen über die Ausgestaltung des Fiskalpaktes einzubinden. Bisher ist das gut gelungen.(András Szigetvari, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 13.1.2012)