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Dem Angeklagten werden zur Verhandlung die Handschellen gelöst.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Wien - Der Angeklagte bleibt, wie bei seinen sechs Einvernahmen, auch vor Gericht dabei: "In diesem Moment habe ich den Juwelier zur Seite geben wollen", murmelt der junge, inzwischen 20-jährige Mann. Das heißt: Er wollte ihn töten. "Warum eigentlich? Können Sie sich das selbst erklären", fragt Richter Norbert Gerstberger im Wiener Straflandesgericht nach. "Nein. Ich weiß nicht", sagt der Angeklagte noch leiser.

Auch sein Verteidiger Werner Tomanek weiß darauf keine Antwort: "Ich habe inzwischen Monate mit ihm verbracht und frage mich die ganze Zeit: Wie kann's denn dazu kommen?"

Der junge Mann war Musterschüler, lebte "in einem reizenden Familienverband", beschreibt Tomanek. Er galt als zuvorkommend und nett, er ist weder alkohol-, drogen- noch spielsüchtig und war vollkommen unbescholten. Trotzdem plante er wochenlang den Überfall auf einen Juwelier. Ein Raubüberfall, bei dem er dem Geschäftsinhaber mit voller Wucht ein Messer in den Rücken rammte.

Warum?

Er habe seit seiner Kindheit an Adipositas gelitten, berichtet er. Wegen seines krankhaften Übergewichtes habe er nach dem Abschluss des Polytechnikums auch keinen Job bekommen. "Es gab mehrere Bewerbungsgespräche. Aber wenn die mich nur sahen, hieß es gleich: Wir rufen Sie an, es ist im Moment keine Stelle frei."

Der junge, übergewichtige Mann wurde schließlich operiert und bekam einen Magen-Bypass. Das zahlte die Krankenkasse - doch für die nach dem Abnehmen anstehende kosmetische Folgeoperation brauchte er Geld. Seine Eltern unterstützten ihn zwar großzügig, "aber ich wollte ihnen nicht zur Last fallen", erzählt der Angeklagte.

So sei er auf die Idee gekommen, einen in Wien-Margareten ansässigen Juwelier auszurauben. Nicht spontan - er bereitete die Tat wochenlang vor. Kundschaftete das Geschäft aus, fertigte sich eine Kreditkarte mit dem Stempel der Wirtschaftskammer darauf an. Am 25. Juli des Vorjahres ging er dann schließlich zum Juwelier und gab an, er komme von der Wirtschaftskammer, um die Sicherheitseinrichtungen im Geschäft zu überprüfen. 

Urteil rechtskräftig

Danach sagte er, der Juwelier müsse noch bestätigen, dass er da war - und als sich der Ladeninhaber zur Unterschrift bückte, stach der Jugendliche dem Mann mit einem wilden Schrei das Messer zwischen die Schulterblätter. Der Schwerverletzte lief zunächst hinaus - dann zog er seine Pistole und stellte den Räuber.

Das Urteil des Schwurgerichtes - acht Jahre Haft - ist bereits rechtskräftig. Als mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit und das rückhaltlose Geständnis des Angeklagten gewertet. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2012)