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Wahlplakat der kommunistischen Partei in Almaty.

Foto: Reuters/Shamil Zhumatov
Graphik: Standard

Astana/Moskau - Wenn am Sonntag in Kasachstan ein neues Parlament gewählt wird, ähnelt der Urnengang nur äußerlich westlichen Vorbildern. "In Kasachstan gibt es nur eine politische Kraft, und das ist Präsident Nursultan Nasarbajew", sagt der Leiter der Nachrichtenagentur Fergana, Zentralasien-Experte Danil Kislow. In die Majilis, so heißt das Unterhaus der Legislative, kommen daher nur präsidententreue Kräfte.

Schon vor der Abstimmung hat die Wahlkommission deutlich ausgesiebt. Einer ganzen Reihe von Kandidaten wurde die Registrierung verweigert, darunter auch den zwei wichtigsten Oppositionsführern, Gulschan Jergalijewa und Bolat Abilow. Zur Begründung heißt es, die Einkommenserklärungen stimmten nicht.

Jergalijewa bezeichnete ihre Streichung als Betrug. Die Wahlkommission habe Informationen für ein Datum verlangt und später Angaben für einen anderen Zeitraum kontrolliert. Natürlich gebe es dadurch Differenzen, so die Oppositionelle: "Personen wegen schon lange verschrotteter Autos, nicht mehr existenter Firmen oder überschüssiger 19 Tenge auf dem Konto von der Wahl auszuschließen ist eine Verhöhnung und staatliche Dummheit", sagte sie.

So wird der Kampf um die 98 Mandate wohl hauptsächlich zwischen der bisher allein im Parlament vertretenen Präsidentenpartei Nur-Otan (Licht des Vaterlands) und der Partei Ak Dschol (Lichter Weg) ausgetragen. Ein politischer Wettstreit ist das mitnichten, beide sind Nasarbajew hörig.

So heißt es auf der Website von Ak Dschol: "Der Vorsitzende von Ak Dschol hat bei der Registrierung der Parteiliste Kasachstans Errungenschaften der letzten 20 Jahre und die Führungskraft des Präsidenten hoch gewürdigt." Es ist wohl kein Zufall, dass Parteichef Asat Peruaschew eigentlich aus den Reihen von Nur-Otan stammt.

Proteste in Blut erstickt

Unterdessen ist die Stimmung im Land gespannt. Mitte Dezember sind bei der Niederschlagung eines Ölarbeiterstreiks in der Region Mangistau 16 Menschen ums Leben gekommen. Der Konflikt zwischen Arbeitern und der Führung des Staatskonzerns Kasmunaigas schwelt seit Monaten. Die Gewerkschaft forderte eine Lohnerhöhung, stattdessen wurden die 1500 Streikenden entlassen und Gewerkschaftsführer verhaftet.

Die Führung des Landes schwieg. So wandelte sich der Arbeitskampf zum politischen Protest. Rufe nach einem Rücktritt Nasarbajews wurden laut, ehe die Lage in der Stadt Schanaose eskalierte. Regimetreue Provokateure sollen die Unruhen ausgelöst haben. Über die Region wurde der Ausnahmezustand verhängt.

"Die Vorgänge in Schanaose haben das Vertrauen des Volkes in Nasarbajew untergraben", erklärt Kislow. Proteste nach der Wahl sind seiner Ansicht nach nicht ausgeschlossen. "Kasachstan ist das Land in Zentralasien, in dem die arabische Revolution am ehesten ein Echo finden könnte", meint er. Der Lebensstandard im Land sei höher als bei den Nachbarn, das Internet besser entwickelt und auch die Mentalität der Kasachen weniger unterwürfig, begründet Kislow seine Sicht.

Nasarbajew aber ist politisch gewieft. Nach dem Blutbad in Schanaose fand er schnell einen Sündenbock. Zurücktreten musste nicht nur der Chef von Kasmunaigas, sondern sogar Nasarbajews eigener Schwiegersohn. Das kanalisiert den Ärger, so das Kalkül. (André Ballin, DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2012)