Washington/Budapest - Das hoch verschuldete Ungarn muss angesichts der umstrittenen Politik von Regierungschef Viktor Orban vorerst weiter auf einen dringend benötigten Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) warten. Bevor es überhaupt zur Aufnahme von Verhandlungen darüber kommen könne, müsse der IWF konkrete politische Schritte Ungarns zur Stabilisierung der Wirtschaft sehen, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag.
Für die IWF-Chefin ist es außerdem wichtig, dass Ungarn die Unterstützung der europäischen Partner und Institutionen habe. Lagarde hatte sich zuvor mit dem ungarischen Chefunterhändler Tamas Fellegi getroffen. Der will sich in den kommenden Tagen mit den europäischen Partnern treffen. Es sei im Interesse der Finanzmärkte und der ungarischen Wirtschaft, dass die Verhandlungen so schnell wie möglichen vorankommen.
Orban bewegt sich
Orban hat sich am Freitag bereit erklärt, die umstrittenen gesetzlichen Regelungen über die Zentralbank (MNB) zumindest teilweise zu ändern. Seine Regierung sei damit einverstanden, "eine gewisse Anzahl" der Forderungen anzunehmen, die von der Europäischen Union erhoben worden seien, sagte Orban am Freitag im Rundfunksender MR1. Detaillierte Angaben zu den für ihn akzeptablen Änderungen machte Orban nicht.
Unterstützung
Zuletzt sind die Gespräche mit dem IWF im Streit um das neue ungarische Notenbankgesetz ins Stocken geraten. Die EU und auch die Europäische Zentralbank (EZB) sehen durch das Gesetz die Unabhängigkeit der Notenbank untergraben. EZB-Präsident Mario Draghi zeigte sich am Donnerstag "wirklich sehr besorgt" über den Druck, der von der Regierung in Ungarn auf Institutionen ausgeübt werde. Das widerspreche dem Geist des europäischen Vertrags. Die EU will sich am 17. Jänner zu den umstrittenen Gesetzen äußern - bis dahin sollen auch die Ergebnisse einer Überprüfung vorliegen.
Orban hat am Donnerstag indes Entgegenkommen signalisiert. Die Regierungskommunikation bleibt also widersprüchlich. Ungarn warte auf die Argumente der EU zu den umstrittenen Gesetzen, sagte Orban am Donnerstag. Sollten diese überzeugend sein, sei die Regierung bereit, darüber nachzudenken, ob die Gesetze geändert werden. Bisher hatte es immer geheißen, man lasse sich nicht vom eingeschlagenem Weg abbringen.
Die wirtschaftlichen Probleme
Investoren haben sich zuletzt massiv aus Ungarn zurückgezogen. Die EU drohte mit Kürzung ihrer Förderungen - keine Kleinigkeit, machen diese doch zwei Prozent des ungarischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Einen kleinen Lichtblick gab es am Donnerstag dennoch: Das Land nahm über Anleihen insgesamt 44 Milliarden Forint (rund 179 Millionen Dollar) ein. Wegen der regen Nachfrage teilte die Finanzagentur elf Milliarden Forint mehr zu als ursprünglich geplant. Die starke Nachfrage half auch dem Forint ein bisschen auf die Sprünge.
Experten gehen allerdings davon aus, dass Regierungschef Orban ohnedies einlenken wird, denn ohne Finanzhilfe werde es nicht gehen. Nun gehe es wohl in der Hauptsache darum, wie Ungarns Regierung alle Bedingungen, die die Geldgeber stellen würden, akzeptieren - und dennoch so tun könnte, als ob dem nicht so sei. Einen Gesichtsverlust zu vermeiden habe derzeit wohl oberste Priorität.
Österreich betroffen
Betroffen ist von der Ungarn-Krise auch Österreich. Ungarn steht nämlich nicht nur vorwiegend bei ausländischen Investoren in der Kreide, es sind auch ausländische Banken, die seit Jahren sehr stark in Ungarn engagiert sind.
An vorderster Stelle sind das die österreichischen Banken: Erste Bank, Raiffeisen Bank International und Volksbanken AG. Gemeinsam haben sie mehr als 30 Milliarden Euro an Krediten in Ungarn vergeben. (red, derStandard.at, 13.1.2012)