Linz - Die Situation ist mehr als verfahren: Das, worum vor Gericht gestritten wird, ist spurlos verschwunden, und jene, die etwas über den Verbleib sagen könnten, sind bereits gestorben. Ein möglicher Vergleich zwischen Kläger und Beklagten scheiterte aufgrund dieser diffusen Lage. So begann am Freitag am Linzer Landesgericht der Prozess um drei verschwundene Schiele- und Klimt-Bilder mit einer Reihe offener Fragen.

Eine Kunstsammlerin hatte 1951 der Neuen Galerie der Stadt Linz Bilder zur Leihgabe überlassen: Es handelte sich dabei um die Zeichnung Zwei Liegende von Gustav Klimt, das Aquarell Junger Mann sowie das Ölgemälde Tote Stadt von Egon Schiele. Diese drei Werke wurden laut einer vorhandenen Übergabebestätigung, die der stellvertretende Leiter der Neuen Galerie, Walter Kasten, unterzeichnet hatte, auch nach Linz überstellt. Dort gingen sie dann irgendwann verloren, weshalb die Erben jener Kunstsammlerin die Stadt Linz auf Schadensersatz klagen.

War ursprünglich von 2,5 Millionen Euro die Rede, so erhöhte der Kläger vor Gericht auf 6,25 Millionen Euro. Dieser Betrag entspreche dem Mittelwert des Schätzgutachtens, begründetet er. Oder aber die Stadt zahle als Wiedergutmachung für den Verlust der Bilder außergerichtlich 5,6 Millionen Euro zuzüglich Zinsen, unterbreiteten die Erben einen Vergleich. "Ein völlig unausgewogenes Angebot", zitierte der Anwalt der Stadt den Linzer Bürgermeister Franz Dobusch.

Damit gelte es im Prozess, der am 23. März weitergeht, folgende Fragen zu klären, listete der Richter auf: Hatte die Stadt Linz bereits 1951 die Neue Galerie übernommen, und handelte Kasten demzufolge schon im Auftrag der Stadt? Gingen auch jene drei Werke in den Besitz der Stadt Linz über?

Dies alles bestreitet die Stadt. Die Neue Galerie sei erst 1952 übernommen worden, erklärte der Verteidiger. Vorher seien die Räume nur für den privaten Kunstsammler und späteren Galeriedirektor Wolfgang Gurlitt sowie dessen Stellvertreter Kasten zur Verfügung gestellt worden.

Die Erben wiederum wollen belegen, dass die Galerie samt der Exponate bereits vor 1951 im Besitz der Stadt Linz war. Die Chance auf Schadensersatz sehen sie als gegeben - nicht zuletzt auch deshalb, weil sie schon einmal recht bekamen: Im Fall der verschwundenen Schiele-Zeichnung Paar, die die Kunstsammlerin ebenfalls 1951 an Linz verliehen hatte, gab der Oberste Gerichtshof (OGH) den Klägern recht. Im Juli 2011 sprach der OGH den Erben 100.000 Euro Schadenersatz zu. (ker / DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.1.2012)