Der amerikanische Sezessionskrieg dräut, und die Gesellschaft verheddert sich in Konventionen: Joseph Lorenz (li.) als Edward Broderick.

Foto: Stadttheater Klagenfurt / Helge Bauer

Klagenfurt - Drückend, das ist das Schlüsselwort. Und auch der Gesamteindruck. Nicht als Kritik an der Produktion verstanden, sondern als Charakterisierung des Stückes Süden von Julien Green. Im Stadttheater Klagenfurt, keine 50 Meter von Greens Grab entfernt, das der Weltautor sich, 90-jährig, in der Stadtpfarrkirche St. Egid selbst erwählt hatte.

Auf der Bühne: Roben, fast wie auf Tara, man denkt unwillkürlich an Vom Winde verweht. Spielort: Ein Salon. Die Zeit? Wenige Stunden vor Ausbruch des amerikanischen Sezessionskrieges, 1861. Eine Frau und ein Mann in Uniform liefern sich ein Wortduell, immer auf Form bedacht, doch ziemlich feindselig. Einig nur in der Grundeinstellung von Nordstaatlern, die als Fremdkörper im Süden gelandet sind. "Bonaventura" heißt die Plantage, und durch den Salon und die hier vertretenen Hausbewohner weht das Selbstverständnis der Wohlhabenden, ihre Einstellung zu ihren Sklaven, den Kindern, die man streng halten muss. Das lähmende Warten auf den Krieg, der gleichzeitig erwartet und weggeleugnet wird, lastet auf allem - also auch auf den Beziehungen. Dazu kommt tatsächliche Schwüle und das überaus wirksame, luftabschnürende Korsett der Konventionen. Alles ist beherrscht, langsam, entschleunigt, unaufgeregt, genau den Punkt in Gesprächen aussparend, auf den es ankommen könnte. Es passt zwar nicht in diese Atmosphäre, aber heute würde man sagen: Jeder eiert um eine echte Aussage herum.

Unter der Oberfläche aber herrscht die tollste Konfusion: Nordstaatlerin Regina liebt (den zuerst beschimpften) Offizier, die Tochter des Hausherrn, Angelina, entdeckt die Liebe, der Offizier auch - zu einem hereinschneienden Nachbarsplantagenbesitzerssohn. Und Hausherr Edward Broderick (Joseph Lorenz) erklärt seine Liebe zum Offizier, indem er ihn als eigenen Sohn bezeichnet. Die homoerotischen Neigungen werden zu Tragödien, weil keiner sie beim Namen nennt. Das wiederum ist wohl nicht nur der Zeit, sondern Julien Greens Doppellebensthema anzurechnen: Religiosität und Homosexualität.

Die Schlüsselszene zwischen Offizier Wiczewski (Roman Schmelzer) und Plantagenbesitzersohn Eric Mac Clure (Emanuel Fellmer) hat Regisseurin Sibylle Broll-Pape sehr wohl in den von Green erdachten Rang erhoben. Das darauffolgende Duell, in dem sich der Offizier töten lässt, findet draußen statt. Im Salon herrschen: Warten und Schwüle.

Liest man die Intentionen von Julien Green selbst nach, so hat das Team um Broll-Pape ganze Arbeit geleistet, ganz nach Greens Willen. Tatsache bleibt, dass das Stück seit Anbeginn außerhalb der Theaterentwicklung stand - und das heutige Publikum sicher seine Probleme mit so bewusster Entschleunigung bekommt, zumal bei fast drei Stunden Dauer.  (Isabella Pichler / DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.1.2012)