Hannes Swobodas Chancen auf den SP-Chefsessel in Straßburg stehen sehr gut. Ziel: Die Europawahl 2014 will er gewinnen.

Foto: Standard/Mayer

Das EU-Parlament bekommt mit Martin Schulz einen neuen Präsidenten. Nach ihm dürfte der Abgeordnete Hannes Swoboda zum einflussreichen Chef der SP-Fraktion aufsteigen. Mit ihm sprach Thomas Mayer.

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STANDARD: Warum wollen Sie Chef der 180 Abgeordneten der Fraktion der Sozialdemokraten im Europaparlament werden?

Swoboda: Weil ich glaube, dass es in einer der schwierigsten Zeiten wichtig ist, jemanden zu haben, der klare und auch realistische Vorstellungen von Europa hat, der sehr gut mit dem künftigen Präsidenten Martin Schulz zusammenarbeiten und mit ihm eine gemeinsame sozialdemokratische Strategie in Europa fahren kann.

STANDARD: Der wird dann wohl nicht mehr so scharf formulieren können wie bisher. Werden Sie eher moderat auftreten?

Swoboda: Schulz wird Präsident des Parlaments sein, deshalb legt er seinen roten Mantel nicht ab. Er wird das kombinieren. Aber die Speerspitze der sozialdemokratischen Anliegen werde natürlich ich sein. Und das kann ich auch leichter tun, weil ich nicht darauf spitze, die Zustimmung aller zu bekommen. Ich werde klar und scharf vorgehen. Sollte ich gewählt werden, bin ich auch ein Fraktionschef unmittelbar vor der nächsten Wahl.

STANDARD: Sie meinen die Europawahlen im Juni 2014.

Swoboda: Ja, diese Wahl können wir nur gewinnen, wenn wir klar sagen, was wir wollen. Wir müssen konstruktiv für Europa arbeiten, aber das Profil zuspitzen, sodass die Bürger verstehen, warum sie uns wählen sollen.

STANDARD: Sie wollen also das linke Profil schärfen?

Swoboda: Wobei es immer um Umsetzbarkeit geht. Ich habe nichts von linken Profilen, wenn es nicht überzeugend oder durchsetzbar erscheint.

STANDARD: Europas Sozialdemokraten stecken in einer tiefen Krise, sind kaum in Regierungen vertreten. Warum ist das so?

Swoboda: In einer Wirtschaftskrise suchen die Leute zunächst das Heil immer im Nationalen, im Konservativismus. Aber wenn die Leute sehen, wie enttäuschend die Konservativen und Liberalen die Krise managen, dann werden die Wähler offen sein für andere Lösungen. Das Entscheidende ist, dass wir für Europa insgesamt eine Konzeption liefern, nicht nur für Teile davon. Meine Aufgabe wird es sein, das deutlich zu machen.

STANDARD: Wie soll denn der Umschwung kommen?

Swoboda: Was derzeit gemacht wird, ist nur "rigeur", sparen, ein Strafgesetzbuch für Wirtschaftssünder. Das mobilisiert nicht die Wirtschaftskräfte, die wir haben. Ein Beispiel: 19 Topfirmen in Portugal haben gerade ihre Zentrale in die Niederlande verlegt. Das mag kurzfristig gut sein für die Niederlande, aber es ist keine Lösung. Wenn Portugal, Italien, Spanien und andere weiter den Bach runtergehen, dann ist das schlecht für uns alle. Wir müssen schauen, wo es in allen Ländern Potenziale gibt, damit wir uns wieder nach vorn bringen.

STANDARD: Warum gelingt es der SP nicht, die soziale Frage zum Kern europäischer Politik zu machen?

Swoboda: Wir wollen nicht die Sozialversicherung harmonisieren. Aber es gibt Fragen wie jene, ob man die zweite und dritte Säule der Pensionsversicherung stärken soll, wie das in Europa geschehen ist. Man hätte da besser bei der ersten Säule bleiben sollen. Oder die Finanztransaktionssteuer, um Geld aufzubringen, mit dem man zur Beseitigung der Armut positiv mobilisieren kann. Die Sozialdemokratie hat diese Kombination zwischen Wirtschaft und Sozialpolitik in Europa bisher viel zu wenig herausgestellt.

STANDARD: Brächte Ihre Wahl auch einen Vorteil für Österreich?

Swoboda: Es wäre sicher eine Anerkennung, dass Österreich gute Leute hat. Das wäre auch bei Othmar Karas der Fall, der als Vizepräsident kandidiert. Das könnte die Beschäftigung mit Europa in Österreich vielleicht ein bisschen positiv beeinflussen.

STANDARD: Haben Sie Besonderes vor mit Blick auf Österreich?

Swoboda: Meine Präsenz im Sinne des Kämpfens für sozialdemokratische Anliegen und für die europäische Idee in Österreich, das wird sicher stärker werden.

STANDARD: Gilt das auch für die SPÖ, wird die sich wieder stärker mit Europa beschäftigen?

Swoboda: Ich glaube schon. Nicht so sehr in Auseinandersetzungen an der Parteispitze, sondern in Auseinandersetzungen in der Breite der Partei, das muss mehr organisiert werden.

STANDARD: Ist das der Höhepunkt Ihrer politischen Laufbahn, werden Sie 2014 wieder zur Wahl antreten?

Swoboda: Ich will nicht vom Höhepunkt reden, aber es ist sicherlich ein Abschluss meiner offiziellen politischen Karriere. Ich werde mit Rat und Tat zur Verfügung stehen, aber kandidieren werde ich 2014 nicht mehr.

STANDARD: Was sind die wichtigsten politischen Vorhaben in den kommenden Monaten neben der Krisenbewältigung?

Swoboda: Die Budgetverhandlungen und die Agrarreform, das sind sicherlich wichtige Dinge. Aber das Entscheidende wird sein, wie können wir die Wettbewerbsfähigkeit in der Union erhöhen und Strukturreformen in schwachen Regionen durchführen. Wir werden mit dem EU-Budget nie wirkliche Konjunkturpolitik machen können. Aber wir können Strukturreformen durchführen. Bei Forschung und Entwicklung müssen wir unbedingt die Vernetzung weiter verstärken. Wir reden zwar viel davon, aber die Vernetzung ist nicht stark genug. Ohne diese und ohne wirtschaftliche Stärke im Hintergrund werden wir keine gemeinsame Außenpolitik in Europa haben können, dann werden uns China und Indien, Brasilien überholen. Das muss man auch vermitteln, gerade in einer sozialdemokratischen Perspektive. Wir wollen ein sozialeres Europa, aber das kann nur funktionieren, wenn wir die entsprechende Wettbewerbsfähigkeit haben. Wir können nicht gegen die Globalisierung kämpfen, wir müssen in der Globalisierung Wettbewerbsfähigkeit haben.

STANDARD: Was kommt bis 2020 auf Österreich zu?

Swoboda: Eine der entscheidenden Fragen ist: Können wir die Wettbewerbsfähigkeit, die wir haben, halten und damit den Wohlstand? Mit sozialer Stabilität, auch durch die Sozialpartner, haben wir es immer wieder geschafft, Probleme zu lösen, wo andere zu Konfrontationen gekommen sind. Wenn wir diese unsere Fähigkeit mit Innovationskraft, mit mehr Offenheit verbinden, dann wird uns das gelingen.

STANDARD: Also noch mehr Internationalisierung?

Swoboda: Ja, noch mehr Internationalisierung, was aber nicht im Widerspruch steht zu einem gewissen regionalen Selbstbewusstsein. Mir fällt das oft auf, wenn ich unterwegs bin. Was da an hoch spezialisierten Österreichern unterwegs ist, die in ihrem Gebiet sehr erfolgreich sind - aber an ihrer Sprache, an ihren Umgangsformen sieht man sofort, das sind Österreicher, stark verankert in ihren Ländern. Internationalisierung und eigene Identität, das hat Österreich erfolgreich gemacht. So kann man ein sehr erfolgreicher Teil der Europäischen Union werden. (Langfassung des in DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2012 erschienenen Interviews)