Das Berufsheer der USA besteht zu einem beträchtlichen Teil aus Personen, die entweder sonstwo keine Lebensperspektive finden oder aus Affinität zu Waffen, Gewalt und Grausamkeiten zur Armee gehen. Das gilt (mit Abstrichen) für die meisten Berufsheere der Welt, auch in einwandfrei demokratischen Ländern. Wenn die Kontrolle durch die militärische Hierarchie und die Politik funktioniert, können diese Erscheinungen in vertretbaren Grenzen gehalten werden.

Bei der US-Army ist das offenbar nicht der Fall, das beweisen die dauernden Vorfälle - von der Demütigung von Gefangenen im Militärgefängnis Abu Ghraib über die willkürliche, von zynischen Kommentaren begleitete Ermordung von Zivilisten im Irak (aufgedeckt gegenüber Wikileaks durch einen Unteroffizier, dem jetzt schwerste Strafen drohen) oder in Afghanistan. Zuletzt die Leichenschändung durch Urinieren auf im Kampf getötete Taliban in Afghanistan.

Gräueltaten und Totenschändungen gibt es, seit es Krieg gibt. Die Taten der US-Soldaten sind ein Teil der Realität, ein anderer ist es, dass vor ein paar Jahren Leichenteile von getöteten US-Agenten auf einer Brücke im Irak aufgehängt wurden oder seinerzeit in Somalia von einem Lastauto durch die Straßen geschleift wurden.

Dennoch muss derlei in den Armeen demokratischer Staaten rigoros unterdrückt werden. Die Frage ist, ob Verrohung dieser Art in Berufsheeren häufiger vorkommt als in Wehrpflichtarmeen demokratischer Länder. Oder, anders gesagt, ob es bei Berufsarmeen eine negativere Auslese (vor allem bei Mannschafts- und Unteroffiziersrängen) gibt als in Wehrpflichtarmeen, die theoretisch einen repräsentativeren Durchschnitt durch eine (demokratische) Gesellschaft bieten. Vorsichtig kann man formulieren, dass ein Heer, das fast ausschließlich aus Mitgliedern der "Neigungsgruppe Supermacho" besteht, und das ist bei Berufsheeren eher der Fall, ein höheres Gefahrenpotenzial in Richtung Gewaltexzesse in sich trägt.

Brutalität und unangemessene Ausübung von Gewalt gehen oft Hand in Hand mit extremistischer und/oder autoritärer Einstellung. Auch das ist übrigens zu bedenken, wenn man - wie in Österreich - an die Einführung eines Berufsheeres denkt. Schon jetzt gibt es im Bundesheer immer wieder entsprechende Vorfälle - sie werden, wie Verteidigungsminister Norbert Darabos glaubwürdig darstellt, rasch und konsequent geahndet.

Was sich dann aber bei der Einführung eines Berufsheeres melden und wohl zunächst auch angenommen werden wird, kann man sich aus Erfahrung relativ leicht vorstellen: teils organisierte Rechtsextreme, die zielstrebig die Institutionen des Staates unterwandern wollen, teils dumpfe Modernisierungsverlierer und Misfits der Gesellschaft. Österreich ist überdies eine Gesellschaft mit starkem Rechtsdrall, wahrscheinlich stärker als in vergleichbaren Staaten.

Es ist anzunehmen oder zu hoffen, dass man sich im Büro Darabos auch darüber Gedanken gemacht hat und nicht nur darüber, wie man den (vermeintlichen) Wahlschlager "Berufsheer" finanziell hinbiegt. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2012)