Bukarest - Nach anhaltendem Druck seitens Spezialisten und der Zivilgesellschaft hat die rumänische Regierung unter dem liberaldemokratischen Premier Emil Boc (PDL) am Freitag auf Anforderung von Staatschef Traian Basescu den Entwurf zum neuen Gesundheitsgesetz aus der öffentlichen Debatte zurückgezogen.

Obwohl ein recht breiter gesellschaftlicher Konsens über die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform im Gesundheitswesen besteht und diese auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) eingefordert wurde, führten scharfe verbale Attacken zwischen Verfechtern und Gegnern des Gesetzes, Rücktritte und Straßendemonstrationen in mehreren Großstädten zur einstweiligen Einstellung des Projekts.

"Ich schließe aus den öffentlichen Signalen, dass für einen Großteil des Publikums die Abänderung des Gesundheitsgesetzes nicht erwünscht ist", erklärte Basescu und fügte ironisch hinzu, dass die Bevölkerung offenbar mit dem derzeitigen System zufrieden sei. Der Staatschef bedauerte, das die Mehrheit der Menschen im Gesundheitssystem die Reform ablehnen.

"Im staatlichen Gesundheitssystem floriert die Korruption, und die Rumänen erfreuen sich nicht gleicher Chancen", betonte Basescu, der im Verlauf der öffentlichen Debatte mehrmals daran erinnerte, dass die derzeitige Aktivität der öffentlichen Krankenkasse (CNAS) "katastrophal" sei. Immer wieder waren Korruptionsskandale und die institutionalisierten "Aufmerksamkeiten", die Patienten Ärzten zukommen lassen müssen, um auf eine würdige Behandlung hoffen zu können, in die Schlagzeilen gekommen.

Am Freitagnachmittag nahmen etwa 1.000 Menschen vor dem Bukarester Präsidialpalast an einer Solidaritätskundgebung für den Anfang der Woche zurückgetretenen Unterstaatssekretär Raed Arafat, der sich in Rumänien als Gründer des inzwischen mustergültigen Rettungsdiensts SMURD einen Namen gemacht hatte, teil.

Der durch seine pragmatische und apolitische Haltung sehr populäre Raed Arafat war von Basescu mehrmals scharf angegriffen worden, nachdem er dagegen protestiert hatte, dass der Gesetzesentwurf die Öffnung der Rettungsdienste für private Anbieter vorsah.

Obwohl der IWF als wichtigster Kreditgeber Rumäniens die Gesundheitsreform vehement einfordert, zählt er auch zu den größten Kritikern des Gesetzes, das von Spezialisten als unausgereift befunden wird. In der zur Debatte gestellten Form, die viel kürzer ist als die des geltenden Gesetzes, wird weitgehend auf die noch nicht erstellte Sekundärgesetzgebung ausgewichen - zum Beispiel der genaue Inhalt des für jeden Versicherten vorgesehenen Basispakets oder die Sanktionen gegen Privatanbieter bei Gesetzesüberschreitungen.

Auch behielt der neue Entwurf statt einer Depolitisierung des Systems die Regelung bei, dass der CNAS-Präsident direkt vom Premier ernannt werde. Zudem hätte das neue Gesetz laut Presseberichten kaum zur Verringerung der Bürokratie führen können - die Versicherungsbeiträge sollten nach wie vor vom Finanzministerium eingehoben und erst anschließend der CNSAS und in weiterer Folge den Privatversicherungsgesellschaften übermittelt werden.

Kritikern zufolge wäre das System somit weiterhin äußerst korruptionsanfällig geblieben, nicht nur, weil durch die Einrichtung sogenannter "strategischer Spitäler", die direkt vom Staat finanziert werden sollten, der politischen Einflussnahme Tür und Tor geöffnet werden konnten, sondern auch, weil das neue Gesetz zum Beispiel vorsah, dass praktische Ärzte "aus Spenden und über Sponsoring" Einkünfte erzielen durften, was als potenzielle Legalisierung der derzeit üblichen "Geschenke" von Patienten oder Medikamentenherstellern gewertet wurde. (APA)