Ob österreichische Staatspapiere weiterhin eine Top-Bonität verdient, wie es die meisten heimischen Politiker sowie zwei US-Ratingagenturen behaupten, oder nur die zweitbeste Kategorie AA+, muss jeder für sich entscheiden. Aber eines ist seit Freitagabend offiziell: Österreich ist für Anleger nicht mehr in der gleichen Kategorie wie die Niederlande.

Das schmerzt, genauso wie Frankreich darunter leidet, dass es nicht mehr auf Augenhöhe mit Deutschland steht.

Anders als im Fußball waren Österreich und die Niederlande seit Jahrzehnten die Zwillinge der europäischen Wirtschaft. Beide waren einst die Juniorpartner des alten D-Mark-Blocks, mit ähnlich hohem Pro-Kopf-Einkommen, ähnlich niedriger Arbeitslosigkeit, und vergleichbaren Budget- und Schuldenzahlen. Auch Staatsquote, Sozialausgaben und Pensionsprobleme sind in den beiden Staaten ähnlich.

(Der Wirtschaftsriese Deutschland, das kleine, reiche Luxemburg und das ärmere, sehr solide Finnland, die ebenfalls ihr AAA-Rating behalten haben, spielen in einer anderen Liga.)

Für Anleger waren die Staatsanleihen der beiden Staaten fast auswechselbar. Einmal war die Rendite der Niederlande etwas niedriger (also besser), dann lag wieder Österreich voran. Aber beide galten als top-sicher.

Doch nun haben sich die Wege getrennt. Die Niederlande weisen weiterhin einen ganz geringen Zinsaufschlag auf ihre zehnjährigen Staatsanleihen gegenüber Deutschland auf – am Freitag waren es nur etwa 30 Basispunkte. Österreich muss hingegen seit Wochen 150 Basispunkte mehr als Deutschland bezahlen – und damit auch über einen Prozentpunkt mehr als die Niederlande. Österreichs neuer Zwilling ist Frankreich.

Diese unterschiedliche Markteinschätzung wurde nun von S&P mit der Herabstufung Österreichs und Frankreichs bestätigt. Bei den Niederlanden wurde nur – anders als bei Deutschland - der Ausblick auf negativ gesetzt. Aber S&P hat damit nur nachgezogen, was Anleger seit längerem denken. Die Niederlande sind sicherer als Österreich. Ist diese Einschätzung gerecht?

Eines muss man vorausschicken: Dass Österreich mit der ehemaligen Wirtschaftsgroßmacht Niederlande, wo einst der moderne Kapitalismus erfunden wurde, überhaupt im gleichen Atemzug genannt wird, ist eines der großen Leistungen der Zweiten Republik.

Die Niederlande haben doppelt so viele Einwohner als Österreich und bieten eine Reihe von Weltkonzernen. Das hilft.

Ein Blick auf die Herbstprognose der EU-Kommission zeigt bezüglich der beiden Staaten ein gemischtes Bild. Österreich hat derzeit etwas mehr Wirtschaftswachstum und eine etwas niedrigere Arbeitslosigkeit.

Beim Budgetdefizit war Österreich 2011 mit 3,4 gegenüber 3,2 Prozent besser, die Prognose für 2011 ist gleich und für 2012 etwas schlechter. Allerdings haben die Niederlande ein deutlich geringeres strukturelles Defizit. Und bei der Staatsverschuldung liegen sie mit 64 gegenüber 72 Prozent deutlich besser als Österreich.

Aber der Grund für die Herabstufung Österreichs ist nicht der größere Schuldenberg, sondern das große, aber volkswirtschaftlich riskante Engagement der heimischen Banken im Osten sowie die wirtschaftliche Vernetzung mit den Krisenstaaten Italien und Ungarn, für deren Probleme Österreich nichts kann.

Sollten die Sorgen über Belgiens Staatsfinanzen wachsen und über Italien zurückgehen, dann könnte sich der Zinsabstand zwischen Österreich und den Niederlanden wieder umdrehen. Auch eine tiefe Rezession in Großbritannien würde die Holländer härter treffen. 

Allerdings hat die rechtsliberale Regierung in Den Haag auch deutlich mehr Reformeifer gezeigt als die große Koalition in Wien. Und hier liegt der Knackpunkt für die Regierung Faymann: Wenn Österreich im Finanzmarkt wieder eine erste Adresse werden will, dann muss es sich in Punkto Reformen mit den Niederlanden messen – und das eigene Reformtempo beschleunigen.

Da geht es nicht nur um die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung, sondern um strukturelle Fragen wie das Pensionssystem, die Verwaltung oder Förderungen.

Die S&P-Analysten haben klar gemacht, dass sie sich nicht nur dumpfe Sparpakete erwarten, sondern durchgreifende Reformen, die Staatsausgaben senken, ohne dem Wachstum zu schaden.

Die Niederländer stehen vor der gleichen Herausforderung. Auch sie haben ungelöste strukturelle Probleme. Das Match der beiden (aus ökonomischer Sicht) kleindeutschen Staaten geht in die zweite Halbzeit - mit Österreich im Rückstand.