Die deutlichsten Worte nach der Herabstufung von neun Euroländern durch S&P fand Gregor Gysi: "Wir haben es gegenwärtig mit einem Krieg der Banken und der amerikanischen Ratingagenturen gegen die europäischen Völker zu tun", wetterte der Chef der deutschen Linksfraktion am Samstag in Berlin. Kritik an S&P wurde quer durch Europa laut. Währungskommissar Olli Rehn sprach von einer "ungereimten" Entscheidung. Die französische Regierung kritisierte den Zeitpunkt der Abstufung, Zyperns Finanzminister Kikis Kazamias sprach von einer "willkürlichen" Aktion (Zypern wurde um zwei Noten abgestuft).

In Deutschland wurden zudem neue Vorschläge laut, wie sich die Macht der Rater begrenzen ließe. CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Meister regte an, dafür zu sorgen, dass Banken und Versicherungen künftig weniger auf Ratings achten müssen. Versicherer sind etwa bei Produkten rund um die Altersvorsorge verpflichtet, in top-geratete Anlagen zu investieren. Das ließe sich ändern, Banken und Versicherer könnten verpflichtet werden, alle Beurteilungen selbst vorzunehmen, sagte Meister.

Neu sind solche Vorstöße in Europa nicht. Seit 2009 wurden in der EU zwei Verordnungen zu Ratingagenturen erlassen. S&P, Moody's und Co müssen sich seither in der EU registrieren lassen. Eine dritte Verordnung, die den Wettbewerb am Markt beleben soll, wurde von der EU-Kommission im November vorgelegt. Das Papier ist in Begutachtung.

Die Bereitschaft, neben neuen Gesetzen auch Geld in die Hand zu nehmen und Alternativen zu den marktdominierenden US-Ratingagenturen zu schaffen, ist in Europa aber eher gering. Das hat sich erst vergangene Woche wieder gezeigt: Die Unternehmensberatung Roland Berger hatte im Sommer 2011 einen Vorstoß zur Schaffung einer europäischen Ratingagentur angekündigt.

Der Vorstoß galt als vielversprechend, weil schon einige Investoren mit an Bord waren. Gemeinsam mit Hessens Landesregierung warb Roland Berger um Unterstützung bei Regierungen und privaten Investoren. Bis Ende 2011 sollte die Startfinanzierung von 300 Millionen Euro stehen. Wie die Financial Times Deutschland nun berichtete, liegt das Projekt aus Mangel an Geldgebern hinter dem Zeitplan zurück. Aufgeben will Roland Berger noch nicht, drei bis vier Monate Zeit gibt man sich noch. (szi, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.1.2012)