Je stärker die Finanzkrise, desto größer auch ihre politischen Auswirkungen. Bis hin zu Neuwahlen - wie im Fall Griechenland im Herbst 2011. Weder die Regierung noch die Kommentatoren werden die Neuwahl-Forderung des FPÖ-Obmanns Heinz-Christian Strache vom Samstag ernst nehmen. Aber dass er sie überhaupt erhob, ist ein Symptom der Krise.

Durch die Ratingagentur Standard & Poor's ist mit der Herabstufung der Bonität mehrerer EU-Länder erneut ein demokratisch nicht legitimierter Angriff erfolgt, der die internationalen Machtverhältnisse widerspiegelt. Die Finanzkrise ist zudem ein Finanzkrieg gegen den Euro, der die betroffenen Staaten auch direkt trifft.

Sollte Österreich keine effizienten Sparmaßnahmen schaffen und sollte noch dazu die ungarische Krise dramatisch wachsen, wäre eine weitere Herabstufung zu erwarten. Die Koalition würde zwar zusammenhalten und Wahlen würden nicht vor Frühjahr 2013 stattfinden. Aber eine blaue Mehrheit wäre wahrscheinlicher als jetzt, populistische Parolen wären noch wirkungsvoller.

Weshalb es auch zu einer Parteigründung kommen könnte. Einerseits um die Schwäche der ÖVP aufzufangen, andererseits um Protestpotenzial von Strache abzusaugen. Sie bräuchte aber eine theatralische Figur, die Stimmen auf sich zieht.

Ein noch unübersichtlicheres Wahlergebnis als 1999 wäre die Folge. Und die Möglichkeit rückte näher, dass der Bundespräsident eine überparteiliche Persönlichkeit an die Spitze einer Reformregierung beruft. So wie es in Griechenland und in Italien geschah.

Dazu braucht ein Staatsoberhaupt Vollmachten. Obwohl der italienische Staatspräsident ähnlich wie der deutsche von den beiden Häusern des Parlaments gewählt wird, hat er viel größeren Einfluss als der machtlose Christian Wulff in Berlin. Giorgio Napolitano hatte entscheidenden Anteil an der Demontage Silvio Berlusconis. Er allein entschied, wer dem Premier nachfolgte - in einer Stunde höchster Bankrottgefahr war es der Europapolitiker Mario Monti.

Durch die Volkswahl hat der österreichische Bundespräsident noch mehr Vollmachten - stärker als er ist im europäischen Kontext nur noch der französische. Einerseits kann er vorgeschlagene Minister ablehnen (wie es Thomas Klestil getan hat). Andererseits ohne Rücksicht auf das Ergebnis einer Nationalratswahl geeignete Kandidaten mit der Regierungsbildung beauftragen.

Die derzeit von der Koalition, aber auch von Wirtschaftsforschern ausgesendeten Botschaften der Beruhigung sollten nicht zu falschen Schlüssen verleiten. Denn die Lage ist ernst und die Proponenten des Stillstands könnten sich als Totengräber wiederfinden. Sie würden den Berufswechsel nur nicht zugeben.

Jedenfalls hat der Bundespräsident rasch nach der Rückstufung Österreichs das Sparpaket eingemahnt und damit seine Rolle unterstrichen.

Die politischen Vorgänge gewinnen also an Brisanz. Wenn das für Ende Februar angekündigte Paket bloß faule Kompromisse enthält, dann ist auch in Wien der Zeitpunkt für Heinz Fischer nah, mit der Regierung Klartext zu rede. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.1.2012)