Lichtinstallationen weisen in Maribor auf Werke von Drago Jančar hin, die mit der Stadt in Verbindung stehen, darunter am Slomskov-Platz "Katharina, der Pfau und der Jesuit".

Foto: Trenkler

Wenigstens zur Zeremonie am Samstagabend strömten trotz Kälte die Massen herbei.

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Der Wendepunkt, so das Motto, ist gegenwärtig nur Behauptung. In Maribor merkte man am Wochenende nicht viel davon, dass man sich in der neuen Kulturhauptstadt Europas befand. Das Logo auf den spärlichen Plakaten erinnert an bunte Christbaumkugeln: Sechs an der Zahl, weisen sie darauf hin, dass Maribor das Jahr zusammen mit den Städten Murska Sobota, Novo Mesto, Ptuj, Slovenj Gradec und Velenje realisiert.

Am Hauptplatz hämmerten am Freitag zu Mittag Männer an Holz-Stroh-Skulpturen, die einige Meter hoch in den Himmel ragten. Was sie darstellen, wusste niemand genau: Vögel, Engel, Hände? Egal, um 22 Uhr wurden sie unter mäßiger Anteilnahme der Bevölkerung und ein paar herumlungernder Feuerwehrmänner ohnehin abgefackelt. Fire Sculptures hieß die Performance, die an ein Osterfeuer, untermalt von sphärischen Klängen, erinnerte. Mit ihr übergab Tallinn den Titel Kulturhauptstadt an Maribor.

Ansprechender war die Übergabe von Turku: In der finnischen Kulturbotschaft lässt der Künstler Markku Haanpää in seiner Installation The Village ein ganzes Dorf aus goldenen kleinen Häusern die Wurzeln in die Luft schlagen, von der Decke schweben. Im Laufe des kommenden Jahres werden sich insgesamt 24 Länder aus ganz Europa mit "Kulturbotschaften" in Maribor präsentieren.

Aus der eigenen Szene überzeugte die Ausstellung Dobro Jutro (Guten Morgen) der slowenischen Illustratorin Alenka Sottlers in der Galerie der Kulturinitiative Kibla. Zwischen schwarz-weißen Strichcodes, die weltweit alle Waren überziehen, versteckt Sottler Figuren und Landschaften.

Andere Produktionen, wie die Intervention Walking Gallery von Ex-Garage, gingen als Programmpunkt an der Peripherie der zweitgrößten Stadt Sloweniens am Freitag fast unbemerkt vorüber. Musikalisch lockte man am Abend mit der Performance Placebo or is there one who would not weep vom Carmina-Slovenica-Chor in die ausverkaufte Union-Halle, bevor der finnische Musik-Grenzgänger Jimi Tenor im architektonisch ansprechenden Kino Udarnik Nachtschwärmer zum Tanzen brachte.

Auch am Samstagnachmittag hielt die eher triste Stimmung an. Denn in der Altstadt, die nur mehr punktuell postkommunistischen Charme verströmt, schließen die Geschäfte um 13 Uhr. Die meisten Menschen tummelten sich am Eislaufplatz, dessen Banden mit den kunterbunten Kugelmotiven des Logos geschmückt sind. Hier drehte sich im Wortsinn alles.

Vor einem Universitätsgebäude am Stadtrand wurden die ersten Werke des geplanten Skulpturenparks bestaunt, etwas später nahm das neue Haus der Architektur seinen Betrieb auf. Weithin sichtbar ist eine knallrote filigrane Konstruktion aus Holzstäben. Mit dieser entschieden Katja Bendiè, Ana Simoniè und Jerneja Muraus den Wettbewerb zur Gestaltung der Eingangssituation für sich. Die weiteren Beiträge sind Gegenstand der Eröffnungsausstellung.

Auch ein kleines Literaturhaus hat Maribor nun. Natürlich steht Drago Jančar im Zentrum des Programms: Der bekannte Schriftsteller, 1948 in Maribor geboren, kuratiert für das Kulturhauptstadtjahr eine Gesprächsreihe mit Claudio Magris, Péter Nádas, Karl-Markus Gauß und anderen.

Und auf Jančar Werke, die mit Maribor in Verbindung stehen, weisen Lichtinstallationen im öffentlichen Raum hin. Sie strahlten am Samstagabend erstmals in die Dunkelheit. Gleich beim Bahnhof stößt man auf den Titel Severni Sij, also Nordlicht, einen frühen Roman, der nun beim Folio Verlag in einer Neuübersetzung wiederveröffentlicht wurde: Eine Dienstreise nach Marburg im Jänner 1938 wird für Josef Erdmann zu einer Suche nach Orten seiner Kindheit. Derart "riesig", wie angekündigt, sind die Schriftzüge, darunter Katarina, pav in jezuit zwar nicht, aber wenigstens lernte man auch bei dieser Suche die Stadt kennen.

Um Punkt 20 Uhr fand bei eisiger Kälte die erstaunlich gut besuchte Eröffnungszeremonie am Leona-Stuklja-Platz statt: Ein Bub mit Kugel-Laterne lief in den Filmeinspielungen von Partnerstadt zu Partnerstadt. Bis er dann real auf der Bühne stand. Die verjazzte Version der Europa-Hymne zu Laserblitzen war eher schwer verdaulich. Befremdlich wirkte zudem, dass die halbe Altstadt abgeriegelt war, damit die Promis unbehelligt zum Empfang im Nationaltheater gelangen konnten. Am Platz zumindest war die Stimmung gut: Die riesige Discokugel rotierte - bis zum Wendepunkt. (Colette M. Schmidt und Thomas Trenkler aus Maribor/DER STANDARD, Printausgabe, 16. 1. 2012)