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Wer hat Angst vor der Macht der Ratingriesen?

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Harald Badinger: Herabstufung keine besonders dramatische Entwicklung.

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Aus Österreichs AAA wurde übers Wochenende ein AA+.  Ob die zweitbeste Note für die Republik Folgen hat und was nun auf die Bürger zukommen könnte, erklärt WU-Ökonom Harald Badinger im derStandard.at-Interview.

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derStandard.at: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Investoren Österreich nach dem AAA-Verlust weiter trauen?

Harald Badinger: Ich halte die Herabstufung nicht für eine besonders dramatische Entwicklung, insbesonders weil die beiden anderen Rating-Agenturen Österreich weiterhin mit Triple-A raten. Fitch hat die Top-Bonität vor kurzem noch bestätigt. Standard&Poors dürfte im Moment am strengsten sein. Bei Investoren sehe ich überhaupt keine Konsequenzen. Was Investitionen in Staatsanleihen betrifft, so kann das gewisse Auswirkungen haben und die Zinskosten leicht erhöhen.

derStandard.at: Wie könnte sich das in Zahlen ausdrücken?

Badinger: Es wäre unseriös zu sagen, jetzt wird es um einen halben Prozentpunkt teurer, sich zu refinanzieren. Es ist ja auch nicht so, dass sich Österreich jetzt in diesem Jahr 100 Prozent der Staatsschuld neu finanzieren muss. Das ist ja immer ein rollierendes Umschichten der Schulden, sodass nur ein Teil der gesamten Staatsschuld dann zu höheren Zinskosten refinanziert werden müsste. Insofern schlägt das nicht auf die gesamte Schuldenlast durch.

derStandard.at: S&P-Analyst Moritz Krämer vergleicht in einem Interview das Downgrading mit dem Schulnotensystem. Demnach wäre das ein harmloser Abstieg von einem 1+ auf eine 1. Hält der Vergleich?

Badinger: Das ist tatsächlich noch auf sehr hohem Niveau. Entscheidend ist, dass die Reformmaßnahmen durch die Regierung tatsächlich umgesetzt werden, dass die Budgetentwicklung auf einen nachhaltigen Pfad gebracht wird. Wenn man jetzt agiert, haben wir nicht wirklich ein Problem. Es ist genug Zeit. Wenn Griechenland vor zehn bis 15 Jahren begonnen hätte, hätte man eine Konsolidierung relativ langsam einleiten können. Weil man so lange gewartet hat, ist es ziemlich brutal, wenn man die gesamten Reformen in ein, zwei Jahren umsetzen muss. Österreich ist da noch in einer vergleichsweise bequemen Position.

derStandard.at: Gemütlichkeit muss man den Österreichern wohl nicht extra verordnen?

Badinger: Jetzt ist es an der Zeit, die richtigen Schritte zu setzen. Ich habe den Eindruck, dass auch verstanden wird, dass Handlungsbedarf besteht. Das muss aber auch umgesetzt werden. Schuldenbremse in die Verfassung zum Beispiel. Nachdem Österreich eine relativ hohe Abgabenquote hat, werden die wichtigsten Maßnahmen auf der Ausgabenseite liegen müssen. Der Rechnungshof hat hier 600 Vorschläge gemacht - es gibt also hohes Einsparungspotenzial. Wenn man nur einen Teil davon umsetzt - wie die Verwaltungsreform, über die wir seit 20 Jahren diskutieren - da liegt auf jeden Fall großes Einsparungspotenzial. Das Pensionssystem ist wohl auch ein Thema, das weiter diskutiert werden wird. Ich rechne damit, dass das Pensionsantrittsalter sicher nicht 65 sein wird.

derStandard.at: Und was ist auf Steuerseite zu erwarten?

Badinger: Hier ist es sicher sinnvoll, sich gewisse Umschichtungen zu überlegen, den Faktor Arbeit zu entlasten. Abgaben wie Vermögenssteuern haben auch verteilungspolitische Konsequenzen. Richtig oder falsch: So eindeutig kann man das nicht sagen, hier muss auch eine politische Entscheidung getroffen werden.

derStandard.at: Im Endeffekt darf man die Herabstufung also als Warnschuss sehen, der Österreich in Schwung bringen könnte?

Badinger: Ich würde das so sehen. Die Ratingagenturen haben aber in letzter Zeit zu viel mediale Aufmerksamkeit bekommen. Vor fünf Jahren hat sich kaum jemand so wirklich damit beschäftigt, jetzt hört man beinahe in allen Kurznachrichten ein Statement zu irgendeiner Agentur. Große Investoren machen sich ihre eigenen Gedanken und folgen sicher nicht blind den Ratings. Der Informationsstand für Österreich hat sich über das Wochenende nicht geändert.

derStandard.at: OenB-Gouverneur Ewald Nowotny hat S&P geradezu unterstellt, politisch motiviert zu handeln. Sehen Sie dafür irgendein Indiz?

Badinger: Nowotny hat sich schon ein paar Mal kritisch dazu geäußert. Man hat natürlich schon ein bisschen den Eindruck, dass die USA hier relativ freundlich behandelt werden, weil die Schuldenquote der USA ist sogar marginal höher als die der Eurozone insgesamt. Also man könnte vermutlich den Zustand der USA wesentlich kritischer sehen - auch aus Sicht der Rating-Agenturen. Man müsste auch wissen, welches Modell dieser Länderbewertung genau zugrunde liegt und ob es auf die USA und auf Europäische Länder unterschiedlich angewendet wird. Das ist alles ein bisschen intransparent. Es ist schwer zu beweisen, dass eine systematische Besserbewertung der USA stattfindet.

derStandard.at: Ein Wifo-Forscher hat jüngst gemeint, die Rating-Agenturen agieren ein bisschen wie die berühmte Schafherde: Eine gibt ein Signal, die nächste folgt in ihrer Einschätzung. Hat Österreich weitere Herabstufungen zu befürchten?

Badinger: Die Gefahr besteht natürlich. Aber nachdem Fitch Österreich jüngst Top-Bonität attestiert hat, werden die nicht sofort mit einer Herabstufung nachziehen. Damit würden sie ja selbst ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen. Wenn Österreich jetzt wirklich rasch und glaubwürdig Reformen umsetzt, dann ist die Einschätzung durch die anderen Ratingagenturen nicht in Gefahr. Es könnte sogar relativ bald schon wieder eine Aufstufung bei S&P kommen. Aber wie gesagt: Dem wird ein bisschen zu viel Aufmerksamkeit beigemessen. Wichtig ist, dass tatsächlich Reformen kommen und nicht, dass man irgendwelche Ratingagenturen befriedigt, damit die wieder bessere Schulnoten vergeben.

derStandard.at: War die Lage in Österreich - als uns Ökonom Krugman nahe an der Pleite verortete - nicht schon einmal prekärer?

Badinger: Ich schätze Paul Krugman sehr als brillanten Außenhandelsökonomen. Was er in letzter Zeit in Sachen Makroökonomie von sich gegeben hat, ist auch in der Community sehr umstritten. Selbst in den USA gibt es viele Makroökonomen, die extrem kritisch seinen diesbezüglichen Aussagen gegenüber stehen. Ich glaube auch nicht, dass Krugman ein Österreich-Experte ist. Aber das große Engagement der heimischen Banken in den mittel- und osteuropäischen Ländern war natürlich bekannt, und dass da gewisse Risiken und Gefahren bestehen. Aber selbst diese Darstellung war wohl etwas übertrieben. (Regina Bruckner, derStandard. 16.1.2012)