Wien - Heisenbergs Unschärferelation ist wohl das berühmteste Fundament der Quantenphysik. Sie besagt, dass man nicht alle Eigenschaften von Quantenteilchen gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit bestimmen kann, zum Beispiel Ort und Impuls eines Teilchens gleichzeitig. Bisher wurde das meist dadurch begründet, dass eine Messung das Quantenteilchen eben notgedrungen verändert und dadurch andere Messungen verfälscht.

Neutronen-Experimente eines Teams rund um Yuji Hasegawa an der TU Wien haben nun gezeigt, dass die Sache aber nicht ganz so einfach ist. Die Forscher konnten verschiedene Beiträge zur Quanten-Unsicherheit aufschlüsseln und damit eine Theorie japanischer Kollegen bestätigen: Der Einfluss der Messung auf das Quanten-System ist nicht immer der Grund für die Mess-Unsicherheit. Heisenbergs Argumente für die Quanten-Unschärfe müssen also neu überdacht werden - die Unschärferelation selbst bleibt freilich bestehen, wie die Forscher im Fachjournal "Nature Physics" schreiben.

Gedankenexperiment

Heisenbergs Gedankenexperiment, in dem die Position eines Elektrons mit Licht gemessen werden soll, ist vielfach bekannt: Um den Ort eines Teilchens sehr genau zu bestimmen, muss man Licht mit sehr kurzer Wellenlänge verwenden. Je kurzwelliger das Licht ist, desto größer ist aber auch seine Energie - wodurch ein starker Impuls auf das zu messende Teilchen übertragen wird. Dieses erhält also durch die Messung einen Schubs und ist dadurch nicht mehr an seinem ursprünglichen Ort. Je genauer man den Ort messen will, umso dramatischer verändert man den Impuls des Teilchens. Ort und Impuls sind daher nicht gleichzeitig exakt messbar, argumentierte Heisenberg.

Dasselbe gilt in der Quantenphysik für viele andere Paare von Messgrößen. Heisenberg und Generationen von Physikern nach ihm waren der Meinung, dass in solchen Fällen eine genauere Messung der einen Messgröße immer eine Störung der zweiten Messgröße nach sich zieht. Das Produkt aus der Ungenauigkeit der ersten Messung und der Störung der zweiten Messung kann - so die bisherige Annahme - eine gewisse Grenze nicht unterschreiten. "Wir haben aber gezeigt, dass man unter ganz speziellen Voraussetzungen dieses ursprüngliche Heisenberg-Produkt aus Ungenauigkeit und Störung auf Null bringen kann", so die Wiener Experimentalphysikerin Jacqueline Erhart vom Atominstitut der TU Wien.

Beiträge zur Unschärfe

Denn es gibt unterschiedliche Beiträge zur Unschärfe: jene, die durch die Messung entsteht und jene der grundlegenden Quanten-Unsicherheit, die in jedem Quantensystem vorhanden ist. Die Unsicherheit liegt also auch in der Quantennatur des Teilchens selbst begründet. In der Quantenwelt "weiß" das Teilchen selbst einfach nicht, wo es sich genau befindet und wie schnell es ist - völlig unabhängig davon, ob gemessen wird oder nicht. Im Jahr 2003 hat der japanische Physiker Masanao Ozawa diese prinzipielle Unbestimmtheit und die Störung durch die Messung in einer erweiterten Unschärferelation mathematisch beschrieben. 

In seinen Gleichungen stecken unterschiedliche "Sorten" von Unschärfe: Einerseits die Unsicherheit, die durch die Messung entsteht, weil sie in den Zustand des Systems eingreift und damit die andere Messung verfälscht. Das ist die Unsicherheit von Heisenbergs Ort-Impuls-Beispiel. Andererseits beinhalten die Gleichungen auch die grundlegende Quanten-Unsicherheit, die unabhängig von der Messung in jedem Quanten-System vorhanden ist.

Experimente

Erhart und ihren Kollegen Stephan Sponar und Georg Sulyok ist es nun erstmals experimentell gelungen, die unterschiedlichen Beiträge zur Unschärfe zu messen und voneinander zu unterscheiden. Sie verwendeten dazu nicht Ort und Impuls eines Teilchens, sondern den sogenannten Spin von Neutronen aus dem Forschungsreaktor des Atominstituts. Viele Teilchen verhalten sich ähnlich einem kleinen Kreisel, als würden sie um sich selbst rotieren und dabei ein kleines Magnetfeld erzeugen. Dabei kann aufgrund der Unschärferelation der Spin in X-Richtung und der Spin in Y-Richtung nicht gleichzeitig genau gemessen werden - sie erfüllen eine Unschärferelation, ähnlich wie Ort und Impuls.

Durch magnetische Felder wurde der Spin der Neutronen in die richtige räumliche Orientierung gebracht, ihr Spin wurde in zwei aufeinander folgenden Messungen bestimmt. Durch kontrollierte Manipulationen des Messapparats konnte statistisch ermittelt werden, wie die unterschiedlichen Quellen der Unschärfe miteinander zusammenhängen.

Quelle der Unschärfe

"Nach wie vor gilt: Je exakter die erste Messung durchgeführt wird, desto stärker wird die zweite Messung gestört - doch kann das Produkt aus Ungenauigkeit und Störung beliebig klein gemacht werden, auch kleiner, als Heisenbergs ursprüngliche Formulierung der Unschärferelation erlaubt", erklärte TU-Professor Yuji Hasegawa in einer Aussendung der TU. Heisenbergs Unschärferelation sei natürlich weiterhin richtig, man sollte nur mit seiner Begründung vorsichtig sein: "Die Unschärfe kommt nicht vom störenden Einfluss der Messung auf das Quanten-Objekt, sondern von der Quanten-Natur der Teilchen selbst", so Hasegawa. (APA/red)