Wien/Innsbruck - Wenn der Körper auf eine massive Entzündung, eine Sepsis, reagiert, ist der Erfolg stark davon abhängig, dass einerseits der Krankheitserreger bekämpft wird und andererseits die körpereigene Immunabwehr nicht überschießt und ihrerseits Schäden anrichtet. Forscher der Harvard Medical School in Boston (USA) und der Medizinischen Universität Innsbruck haben nun in Versuchen an Mäusen nachgewiesen, dass von ihnen entdeckte spezielle Immunzellen dem Körper dabei helfen, hier die richtige Balance zu finden. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Mediziner vor kurzem in der Fachzeitschrift "Science".

Zufallsentdeckung ...

Die Entdeckung dieser ungewöhnlichen Zellen durch die Forscher aus Harvard war "eigentlich ein großer Zufall", erklärte der Immunologe und Infektologe Igor Theurl von der Universitätsklinik für Innere Medizin in Innsbruck im Gespräch. Damals war man auf der Suche nach dem Botenstoff GM-CSF, der normalerweise von Zellen gebildet wird, die Teil der unspezifischen Immunabwehr des Körpers sind. Diese sogenannten Makrophagen reagieren in der ersten Abwehrlinie unspezifisch auf Krankheitserreger.

Im Zuge der Analysen stellte sich aber heraus, dass GM-CSF auch von Zellen hergestellt wird, die sich von den Makrophagen unterscheiden. Diese bis dahin unbekannten Immunzellen, wurden von den Forschern als neue B-Zellen-Art identifiziert. B-Zellen, die zur Familie der weißen Blutkörperchen zählen, sind im Normalfall Teil der spezifischen Immunabwehr des Körpers, da sie in der Lage sind, Antikörper zu bilden, die auf die Bekämpfung einzelner Krankheitserreger genau zugeschnitten sind.

Das Besondere an der neu entdeckten B-Zellen-Art sei aber, dass sie weniger Antikörper, dafür aber GM-CSF produzieren. "Man hat also eine B-Zelle gefunden, die anscheinend bei der Orchestrierung der Immunantwort ganz am Anfang steht, also in die vordere Linie der Immunabwehr gehört", so Theurl, der betonte, dass diese Erkenntnis das bis dahin vorherrschende Bild "völlig umgeworfen" habe. Da die Zelle durch ihre Reaktion auf ein Bakterium also andere Zellen der unspezifischen Abwehr anlockt, nannten die Wissenschafter sie "Innate-Response-Activator-B-Zelle", kurz IRA-B-Zelle.

Die Forscher aus den USA und Innsbruck testeten in ihrer aktuellen Studie auch die Funktion der IRA-B-Zellen bei der Bekämpfung der mikrobiellen Sepsis. Dabei handelt es sich um eine komplexe und umfangreiche Entzündungsreaktion. Das Problem dabei sei das "Überschießen der Immunabwehr", das vor allem zu Schäden an Blutgefäßen führe.

Wichtige Koordinationsrolle

In Versuchen mit Mäusen, bei denen die Wissenschafter die GM-CSF-produzierenden B-Zellen ausschalteten, konnte nun gezeigt werden, dass sich die Überlebenschancen durch das Fehlen der Zellen deutlich reduzierten. "Wir glauben, dass die IRA-B-Zelle eine wichtige Koordinationsrolle dabei spielt, die Krankheit in einem Ausmaß zu bekämpfen, das den Körper nicht zu sehr schädigt", erklärt Theurl.

Die Forscher haben auch schon therapeutische Anwendungen im Blickfeld. Da es schon gelungen ist, diese Zellen auch außerhalb des Körpers zu erzeugen, sei es in Zukunft vielleicht möglich, sie bei einer Sepsis gezielt zuzuführen. Wichtig für die Wirksamkeit scheint nämlich vor allem zu sein, dass der Botenstoff GM-CSF genau dort im Körper vorhanden ist, wo die Entzündung gerade wütet. (APA)