Rom/Wien - Mehr als eine Stunde verging nach dem Unfall der Costa Concordia, bis die Evakuierung des Schiffs begann. Verständlich, meint Stefan Krüger, Schiffssicherheitsexperte von der TU Hamburg-Harburg. "Das Schiff ist die beste Rettungsinsel", sagt er. "Die Chance ist sehr groß, dass Menschen zu Schaden kommen, wenn sie so einen großen Dampfer evakuieren. Bevor sie das veranlassen, müssen sie sehr sicher sein, dass er sinken wird."

Generell gilt: Ab einer dauerhaften Seitenlage von 30 Grad können Passagiere kaum gerettet werden. Fast alle Menschen auf der Costa Concordia überlebten, weil das Schiff nach der Kollision recht langsam sank, sagt Krüger. "Das Unglück ist sehr glimpflich verlaufen."

Dabei lief der Dampfer zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt auf die Klippen: Während des Abendessens, als sehr viele Passagiere nicht in der Kabine waren. Da aber die Schwimmwesten oft in der Kabine sind und Leute ihre Besitztümer retten wollen, kommt es leicht zum Chaos.

Wenn Passagiere an Bord kommen, bekommt jeder ein Rettungsboot zugewiesen, zu dem er im Notfall kommen muss. Da bei einem Unglück nicht alle Rettungsboote benutzt werden können - etwa, wenn das Schiff sich krängt, sind stets mehr Plätze vorhanden als Menschen an Bord sind. Innerhalb von 24 Stunden nach Betreten des Schiffs muss ein Sicherheitstraining absolviert werden. Der Kapitän muss das Schiff nicht per Gesetz als Letzter verlassen - wer die Evakuierung leitet, sollte aber möglichst lange an Bord bleiben.

Die Schifffahrt ist eine vergleichsweise sichere Branche - etwa 2500 Menschen sterben pro Jahr auf See, die meisten bei Fährunglücken in der Dritten Welt. Auf Schiffen, die alle Bestimmungen einhalten, gibt es kaum Tote, sagt Krüger. Das größte Problem: fehlende Vorschriften.

In der Schifffahrt braucht es stets die Zustimmung zahlreicher Länder, um gemeinsame Standards festzulegen - und das dauert oft Jahre. Erst seit 2009 müssen Schiffe so konstruiert sein, dass sie bestimmte Lecks in der Bodenplatte überstehen - davor mussten sie nur trotz seitlicher Lecks schwimmfähig bleiben.

Die 2006 vom Stapel gelaufene Costa Concordia musste das noch nicht. Sie sank nun vermutlich aufgrund eines solchen Schadens. Ob das Leck so groß war, dass auch die neuen Standards den Untergang nicht verhindert hätten, muss noch geklärt werden.

Große Schiffe sicherer

Große Schiffe gelten als sicherer als kleine (bis zu 200 Meter und 1500 Passagiere) - weil bei einem gleich großen Leck die kleineren schwerer beschädigt sind. Zudem wurden die Sicherheitsregeln in den vergangenen Jahren speziell auf große Kreuzfahrer hingetrimmt - was der Sicherheit der kleinen geschadet hat.

Mit 2009 wurde die Leckgröße, die ein Schiffsdesign überstehen muss, an die Länge des Schiffes angepasst. Große Schiffe müssen nun Lecks einer Größe verkraften, wie sie nur sehr selten passieren. Sie sollten bis zu 90 Prozent aller angenommenen Unfälle überstehen. Bei kleinen Schiffen sinkt diese Quote auf 70 Prozent. (tob, DER STANDARD; Printausgabe, 17.1.2012)