Nach dem Bürgerkrieg 1934 wurde das Denkmal der Republik mit Kruckenkreuzfahnen verhüllt, mit Planken verbarrikadiert und schließlich, am 21. Februar, ganz abgetragen. - Sollte an diesen Tag auch in der offiziellen Gedenkpolitik der Republik erinnert werden?

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Harald Walser: Es bleibt noch viel zu tun ...

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Die Rehabilitierung von zu Unrecht Verurteilten und Verfolgten hat nicht nur für diese selbst, sondern auch für deren Nachkommen große Bedeutung. Der überzeugte Wiener Trotzkist Karl Fischer zum Beispiel war wegen seiner Überzeugung von 1933 bis 1955 fast ständig in Gefängnissen, Arbeitslagern oder Konzentrationslagern eingesperrt. Erst nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags konnte er aus der Sowjetunion nach Österreich zurückkehren. Die Rehabilitierung für die Haft in den Gefängnissen des NS-Staates und im Konzentrationslager Buchenwald erfolgte schnell. Nach Karl Fischers Tod erreichte sein Sohn 1996 auch die Rehabilitierung durch die russische Generalstaatsanwaltschaft. Was bis heute fehlt, ist eine Rehabilitierung für die Zeit des Austrofaschismus, also für die Periode vom 6. März 1933 bis zum 12. März 1938.

Nun könnte es so weit sein: Gut Ding braucht eben Weile - nicht nur, aber eben auch in Österreich. Dafür sorgt ein von Grünen, SPÖ und ÖVP eingebrachter Initiativantrag, der morgen, Mittwoch, im Parlament beschlossen wird. 73 Jahre nach dem Ende der Dollfuß-Diktatur können nun auch die politischen Opfer der damaligen Justiz, Polizei und Verwaltungsbehörden rehabilitiert werden, sofern sie sich "für den Erhalt eines unabhängigen und demokratischen Österreichs eingesetzt" haben - wie der Gesetzestext in Anlehnung an das Opferfürsorgegesetz von 1947 präzisiert. Nationalsozialisten sind also von der Rehabilitierung ausgeschlossen.

Es handelt sich durchaus um ein historisches Gesetz. Denn in all den Jahrzehnten nach 1945 war es SPÖ und ÖVP nicht möglich gewesen, zu einer tragfähigen gemeinsamen Bewertung der Zeit des Austrofaschismus zu kommen. Das jetzt vorliegende Gesetz vermeidet zwar die Bezeichnung "austrofaschistisch" für das Regime vor dem "Anschluss", erstmals aber gibt es zwischen ÖVP, SPÖ und Grünen einen Konsens darüber, dass gerichtliche und verwaltungsbehördliche Entscheidungen als "Unrecht im Sinne des Rechtsstaates" zu bezeichnen sind, wenn sie einen Rechtsnachteil wegen des Einsatzes für Unabhängigkeit und Demokratie zur Folge hatten. Das mag selbstverständlich klingen und ist es auch. Für die großkoalitionäre österreichische Realverfassung jedoch ist diese klare historische Bewertung ein großer Schritt nach vorn.

Das Gesetz kann zu einer Normalisierung unseres Umgangs mit der eigenen Geschichte im 20. Jahrhundert beitragen. Noch immer aber gibt es viel zu tun. Ein symbolträchtiges Inkrafttreten des Gesetzes am 12. Februar wäre beispielsweise sinnvoll gewesen. Die gemeinsame historische Bewertung des damals ausgebrochenen Bürgerkriegs durch Rot und Schwarz ist allerdings noch nicht möglich. Ich würde den 21. Februar wählen: An diesem Tag begann der Abbau des "Republikdenkmals" am Ring (siehe Abb.). Das Denkmal war schon zuvor mit Symbolen des Austrofaschismus verhüllt worden - mit der Kruckenkreuzfahne und mit Bildern von Engelbert Dollfuß, Heimwehrführer Rüdiger Starhemberg und Vizekanzler Emil Fey. Ob dieses Datum für das Inkrafttreten des Gesetzes mehrheitsfähig sein wird?

Immerhin wurde das Republikdenkmal nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut. Auch den Austrofaschisten war wohl klar gewesen, dass sich die Zeiten wieder ändern könnten. Sie hatten das Denkmal daher in der Wiener Stadionhalle zwischengelagert, von wo es 1948 wieder an seinen alten Standort gebracht wurde.

Im Umfeld des Republikdenkmals gibt es allerdings weitere ungelöste Probleme. So harrt eine Rückbenennung des 1934 von "Ring des 12. November" in "Dr.-Karl-Lueger-Ring" umbenannten Teils der Wiener Prachtstraße - angesichts des lautstarken Antisemitismus des ehemaligen Wiener Bürgermeisters - noch immer einer entsprechenden Mehrheit. Mit verwaltungsbürokratischen Einwänden kann man gegen eine Umbenennung nicht argumentieren, denn gerade die Wiener Ringstraße hat so etwas immer wieder erlebt. Sie spiegelt die politische Geschichte des Landes wie kaum ein anderer Straßenzug wider. Der jetzige "Dr. -Karl-Renner-Ring" beispielsweise hieß ursprünglich "Franzensring", ab 1919 "Ring des 12. November", dann "Dr.-Ignaz-Seipel-Ring", in der NS-Zeit war er nach Gauleiter Josef Bürckel benannt, nach dem Krieg hieß er wieder "Dr.-Ignaz-Seipel-Ring", ab 1949 "Parlamentsring", und erst seit 1956 hat er die heutige Bezeichnung. Sie bewahrt die Erinnerung an einen Staatsmann, zu dessen "Anschluss"-Begeisterung es bekanntlich gerechtfertigte Diskussionen gibt.

Wie auch immer: Der Sohn von Karl Fischer kann 16 Jahre nach der Rehabilitierung seines Vaters durch die russische Generalstaatsanwaltschaft nun auch von den österreichischen Behörden erfreuliche Nachrichten erwarten. (Harald Walser, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.1.2012)