San Salvador / Puebla - Zwanzig Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs hat erstmals ein Präsident in El Salvador die Angehörigen der Opfer um Vergebung gebeten. "Für die grausamen Menschenrechtsverletzungen bitte ich im Namen des salvadorianischen Staates die Familien der Opfer um Verzeihung" , sagte Mauricio Funes unter dem Applaus mehrerer hundert Betroffener und geladener Gäste. Die emotionsgeladene Zeremonie fand am Montag in El Mozote statt, dem Ort des grausamsten der 127 Massaker während des Bürgerkriegs, rund 200 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt San Salvador.
Mehrmals musste sich Funes während seiner Rede mit einem Taschentuch die Tränen trocknen. Anschließend bat der Präsident um eine Schweigeminute und legte einen Kranz am Denkmal für die Opfer nieder. Funes selbst hat einen Bruder im Bürgerkrieg verloren.
In Vertretung der Familien dankte Dorila Márquez dem Staatschef, forderte aber auch Gerechtigkeit: "30 Jahre später ist dieser Horror noch immer ungestraft" , sagte Márquez, die bei dem Massaker in El Mozote ihre gesamte Familie verloren hat.
Berufung auf Amnestie
Unter Berufung auf die 1993 erlassene Amnestie haben salvadorianische Gerichte bisher die juristische Aufarbeitung der Bürgerkriegsverbrechen verweigert. Die Opfer haben deshalb internationale Gerichtshöfe angerufen, die einige der emblematischsten Fälle derzeit untersuchen.
Funes forderte die Justiz auf, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, und versprach moralische und materielle Wiedergutmachung. In den kommenden Tagen will er eine Kommission einberufen, die ein Register der Opfer erstellt und mit den Angehörigen über Formen der Entschädigung spricht.
Kinder und Babys ermordet
In der Gegend um El Mozote zogen 1981 die Militärs drei Tage lang mordend durch die Dörfer und brachten fast tausend Menschen um, unter ihnen 450 Kinder und Babys. Sie warfen den Bauern Zusammenarbeit mit der Guerilla vor. Bis heute verteidigen die Streitkräfte, die laut der Wahrheitskommission für 90 Prozent der Gräueltaten verantwortlich sind, ihre Version von der "Vaterlandsverteidigung gegen die kommunistische Bedrohung" .
Diese Sichtweise müsse im Licht der Geschichte revidiert werden, forderte jetzt Funes. Nahezu alle Opfer in El Mozote waren Zivilisten. Eine Gedenktafel mit den Namen der Opfer und der schwarzen Silhouette einer Familie erinnert heute an die Verstorbenen. Im Bürgerkrieg zwischen 1980 und 1992 starben 75.000 Menschen in dem mittelamerikanischen Land, das etwas größer als Niederösterreich ist. (Sandra Weiss/DER STANDARD, Printausgabe, 18.1.2012)