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Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit, in diesem Fall unschuldiges Kopfhörermodel.

Foto: apa/stadler

Die Zahl Kopfhörer tragender Fußgänger, die schwere Verletzungen aus Unfällen davontragen, hat sich in sechs Jahren mehr als verdreifacht. Das geht aus einer neuen Studie der University of Maryland School of Medicine und des University of Maryland Medical Center in Baltimore hervor. Häufig können Fußgänger die Hupgeräusche von Autos und Zügen nicht hören. In fast drei Vierteln der Fälle erliegen die Opfer ihren Verletzungen.

Ablenkung und ausgeblendete Umgebungsgeräusche

"Jeder ist sich des Risikos bewusst, das der Gebrauch von Mobiltelefonen oder das Verfassen von Textmitteilungen im Straßenverkehr mit sich bringt. Trotzdem sieht man immer mehr Teenager, die sich Kopfhörer tragend mit ihrem neuesten Gerät beschäftigen und abgelenkt sind", so einer der Hauptverfasser der Studie, Richard Lichenstein. "Da wir immer verlockendere Geräte entwickeln, steigt auch das Risiko von Unfällen, die auf Ablenkung und ausgeblendete Umgebungsgeräusche zurückzuführen sind."

Analyse von Fallstudien

Lichenstein und seine Kollegen untersuchten nachträglich erstellte Fallstudien des nationalen elektronischen Überwachungssystems für Verletzungen (NEISS), der US-Kommission für die Sicherheit von Verbraucherprodukten (CPSC) sowie der Google News Archives und der Forschungsdatenbanken des Westlaw Campus.

Die zwischen 2004 und 2011 publizierten Berichte beziehen sich auf Unfälle, in denen Fußgänger bei Kollisionen mit Zügen oder motorisierten Fahrzeugen Verletzungen davontrugen oder zu Tode kamen. Fälle, in denen der Gebrauch von Kopfhörern im Spiel war, wurden isoliert betrachtet und zusammengefasst. Die Untersuchung wurde am 17. Jänner im Fachmagazin "Injury Prevention" veröffentlicht.

Keine Wahrnehmung der Hupsignale

Die Wissenschafter überprüften insgesamt 116 Unfälle, bei denen Fußgänger nachweislich von Kopfhörern Gebrauch machten. 70 Prozent der Unfälle endeten für die Fußgänger tödlich. 68 Prozent aller Unfallopfer waren männlich, 67 Prozent unter 30 Jahre alt. Mehr als die Hälfte der in Unfälle involvierten Fahrzeuge waren Züge und 29 Prozent der Fahrzeuge hupten unmittelbar vor dem Unfall.

"Unaufmerksamkeitsblindheit"

Die über die Jahre gestiegene Unfallhäufigkeit geht mit der nachweislich steigenden Beliebtheit von akustischen Technologien mit Kopfhörerunterstützung einher. Die Studienleiter weisen auf zwei Ursachen hin, die mit derartigen Verletzungen und Todesfällen in Verbindung stehen sollen: Ablenkung und sensorische Deprivation.

Diese durch elektronische Geräte verursachte Form der Ablenkung wird auch als "Unaufmerksamkeitsblindheit" bezeichnet, wobei es durch multiple Stimulation zu einer Einschränkung der mentalen Verarbeitungskapazität des Gehirns kommt.

Tragischer Unfall als Anstoß

Anstoß für die Studie war ein tragischer Unfall, bei dem ein Teenager bei der Überquerung von Bahnschienen verunglückte. Er hatte Kopfhörer getragen und war dem sich nähernden Zug trotz akustischer Warnsignale nicht ausgewichen. Eine erneute Prüfung des Sachverhalts deutete auf weitere Fälle hin, nicht nur in Maryland, sondern auch in den übrigen US-Bundesstaaten.

"Als pädiatrischer Unfallarzt und Person, die sich grundsätzlich für Sicherheit und Prävention interessiert, sah ich dies als Gelegenheit, um Eltern von Teenagern und junge Erwachsene zumindest auf das potenzielle Risiko aufmerksam zu machen, das mit dem Tragen von Kopfhörern in unmittelbarer Nähe von fahrenden Fahrzeugen verbunden ist", sagt Lichenstein. (red, derStandard.at)