München/Berlin - Vor dem Landgericht in München muss sich seit Dienstag ein 51-jähriger Postbote verantworten, dem vorgeworfen wird, seine beiden kleinen Nichten Chiara (8) und Sharon (11) aus Habgier brutal getötet zu haben. Zum Prozessauftakt schwieg der Angeklagte und ließ durch seinen Anwalt erklären, er werde "zum jetzigen Zeitpunkt" keine Angaben machen.

Der Doppelmord von Krailling (südwestlich von München) hatte im März 2010 deutschlandweit für Entsetzen gesorgt. Am frühen Morgen des 24. März beendet Anette S. ihren Dienst in einem Lokal, das nur wenige Meter von der Wohnung entfernt liegt. Sie kehrt mit ihrem Lebensgefährten nach Hause zurück und findet beide Töchter grausam ermordet vor.

Bald gerät Thomas S., der Onkel der beiden Mädchen, ins Visier der Ermittler. Er ist mit Ursula S., der Schwester von Anette, verheiratet, die beiden haben vier Kinder und enorme finanzielle Schwierigkeiten. Ihr eben fertiggestelltes Einfamilienhaus droht zwangsversteigert zu werden.

Für Staatsanwalt Florian Gliwitzky ist dies das Motiv für die Tat. Denn die beiden erwachsenen Schwestern haben in Krailling noch eine gemeinsame Eigentumswohnung. Diese würde ins alleinige Eigentum der Ehefrau von Thomas S. übergehen, wenn Anette S. und ihre beiden Mädchen sterben. Um an das Erbe zu kommen, sollten Chiara, Sharon und deren Mutter sterben, ist der Staatsanwalt überzeugt: "Um zu vermeiden, dass wegen des Ablebens seiner Schwägerin und seiner Nichten ein Verdacht auf ihn fällt, plante der Angeschuldigte, die Tötung seiner Nichten und seiner Schwägerin als ,erweiterten Suizid' zu tarnen."

Die Mädchen sterben qualvoll. Der Mörder schlägt mit einer Hantel auf sie ein, sticht mit einem Messer zu und würgt sie mit einem Seil. Anschließend lässt er die Badewanne volllaufen und legt einen Handmixer parat - so will er laut Staatsanwalt die Mutter in der Badewanne töten. Doch als diese längere Zeit nicht nach Hause kommt, soll er seinen Plan aufgegeben und die Wohnung verlassen haben.

DNA-Spuren gefunden

Die Polizei findet später DNA-Spuren des Onkels auf allen drei Tatwaffen und sein Blut am Tatort. Zunächst bestreitet Thomas S. die Morde, seit einigen Monaten schweigt er. Seine Ehefrau hat ihm zuerst ein Alibi gegeben und erklärt, er sei in der Tatnacht bei ihr zu Hause gewesen.

Diese Aussage zog sie später jedoch wieder zurück und erklärte in einem Interview mit dem Stern: "Für mich gibt es keinen Zweifel, dass er es war." Mehr als 50 Zeugen sollen in diesem Indizienprozess aussagen. Das Urteil wird für den 27. März erwartet. (bau, DER STANDARD; Printausgabe, 18.1.2012)