Spaniens Star-Richter Baltasar Garzón sitzt seit Dienstag auf der Anklagebank. Garzón, der durch seinen Haftbefehl 1998 gegen den chilenischen Diktator Augusto Pinochet weltweit bekannt wurde, wird Rechtsbeugung vorgeworfen. Er habe bei der Untersuchung des wohl größten Korruptionsfalles der spanischen Demokratie gegen ein Netzwerk rund um die regierende konservative Partido Popular (PP) von Premier Mariano Rajoy Gespräche zwischen Anwälten und Mandanten mit dem Ziel abgehört, das Verfahren zu beeinflussen. Die Kläger fordern 17 Jahre Berufsverbot.

Eine Verurteilung wäre das Ende für Spaniens mutigsten Richter, der in 22 Jahren am obersten Strafgerichtshof des Landes Ermittlungen gegen Drogenkartelle, die baskischen Eta-Separatisten, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Lateinamerika und gegen die Verbrechen der Franco-Diktatur führte.

Garzón bestreitet das Abhören nicht. Die Anwaltsgespräche mit den Hauptbeschuldigten in U-Haft seien mitgeschnitten worden, da die Gefahr bestand, dass das Netzwerk mithilfe der Anwälte Beweise vernichten und Konten mit Millionenbeträgen aus öffentlichen Geldern plündern wollte. (Reiner Wandler aus Madrid/DER STANDARD, Printausgabe, 18.1.2012)