Bild nicht mehr verfügbar.

Die Suche nach Vermissten wurde Donnerstagvormittag unterbrochen, weil sich das Schiff bewegt hatte.

Foto: EPA/ITALIAN POLICE

Rom - Der Kapitän des havarierten Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia", der am Dienstagabend unter Hausarrest gestellt worden ist, hat nach Angaben der italienischen Justizbehörden erste Geständnisse gemacht. Der 52-jährige Francesco Schettino gab schwere Fehler zu. Er habe sich zu sehr der Insel Giglio genähert und das Schiff sei gegen einen Felsen gefahren. Er bestritt jedoch, nach dem Unfall geflüchtet zu sein.

Die Staatsanwaltschaft der toskanischen Stadt Grosseto, die nach dem Kentern der Costa Concordia vor der Insel Giglio ermittelt, will Einspruch gegen den Hausarrest für Kapitän Francesco Schettino einlegen. Das kündigte Staatsanwalt Francesco Verusio am Mittwoch nach Angaben italienischer Medien an. Der Kapitän habe sich auf verheerende Weise verhalten, betonte Verusio. Untersuchungsrichterin Valeria Montesarchio widersprach: "Wir können eine Person nicht im Gefängnis halten, nur weil es die Öffentlichkeit verlangt", s0 laut italienischen Medien.

Während Evakuierung Schiff verlassen

Schettino habe den Luxusliner verlassen, während die Evakuierungsaktion noch voll im Gange war, sagte Verusio. Er habe von einem Felsen aus das sinkende Schiff beobachtet. Der Staatsanwalt bestritt die Version des Kapitäns, derzufolge er nicht mehr an Bord des havarierten Kreuzfahrtschiffes zurückkehren konnte, weil sich die Costa Concordia zur Seite geneigt hatte und der Rückweg versperrt gewesen sei. Andere Besatzungsmitglieder seien sehr wohl an Bord zurückgekehrt, um den Passagieren zu helfen, sagte der Staatsanwalt. Er dementierte, dass Schettino am Samstag verhaftet worden sei, weil er flüchten wollte. Vielmehr habe man eine Manipulation von Beweisen befürchtet.

Die Staatsanwaltschaft wirft Schettino mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und das Verlassen des Schiffes mitten in der Evakuierung vor. Ihm drohen bis zu 15 Jahren Haft.

Kapitän gibt Fehler zu

Der Kapitän, seit 2006 im Dienst der Reederei Costa Crociere, gab zu, dass er vor der Insel ein Manöver namens "Die Verneigung" vollführen wollte, bei dem das Schiff mit voller Beleuchtung und Sirenen die Küstenbewohner grüßt. Damit wollte Schettino einen befreundeten Kapitän grüßen, mit dem er telefonierte.

"Das Manöver war schon beim Start in Civitavecchia beschlossen worden, doch ich habe einen Fehler gemacht. Ich kenne die Strecke gut und ich hatte das Manöver schon drei- oder viermal vollführt. Diesmal bin ich in zu seichtes Wasser geraten. Ich weiß nicht, warum das passiert ist. Ich war Opfer meiner Gedanken", sagte Schettino den Ermittlern bei einer dreistündigen Anhörung am Dienstag

Flucht bestritten

Am Sonntag hatte bereits die Staatsanwaltschaft massive Vorwürfe gegen den Kapitän erhoben. Dieser habe den Luxusliner "extrem ungeschickt" zu nahe an die Insel herangeführt, betonte ein Staatsanwalt. Zudem habe Schettino das Schiff lange vor dem Ende der Evakuierungsaktion verlassen. Damit habe er die Passagiere sich selbst überlassen, darunter 300 Kinder und behinderte Menschen.

Kapitän: "In ein Rettungsboot gestürzt"

Schettino bestritt jedoch eine Flucht. "Die Passagiere drängten sich am Deck, um auf die Rettungsboote zu kommen. Ich hatte nicht einmal eine Schwimmweste an, weil ich sie einem Passagier gegeben hatte. Ich versuchte, die Passagiere in die Boote zu bringen. Doch plötzlich hat sich das Schiff um 70 Grad geneigt, ich bin ausgerutscht und in ein Boot gestürzt", rechtfertigte sich Schettino. Wegen der starken Neigung habe er dann nicht mehr auf die "Costa Concordia" zurückkehren können. Er habe jedoch die Evakuierungsaktion unweit des Schiffes koordiniert.

Drogentest durchgeführt

Die Staatsanwälte wollten Schettino nicht glauben und ihn einem Drogentest unterziehen. Der Kapitän sträubte sich nicht dagegen. Er habe weder getrunken noch Drogen konsumiert, versicherte er.

Inzwischen laufen die Ermittlungen zu dem Unglück weiter. Zwei Offiziere, die mit Schettino am Abend der Katastrophe das Schiff verlassen hatten, sind ins Visier der Staatsanwälte geraten. Ermittlungen sollen auch gegen den für Notfälle zuständigen Manager der Reederei Costa Crociere aufgenommen werden, berichteten italienische Medien.

22 Menschen weiter vermisst

Die italienischen Behörden verzeichneten am Mittwochabend 22 Vermisste. Mindestens elf Menschen kamen bei dem Schiffbruch um, berichtete der Vize-Verkehrsminister Mario Ciaccia in einer Rede vor dem Parlament am Mittwoch in Rom. Zuletzt wurde einer der fünf Männer identifiziert, die am Dienstag geborgen wurden. Dabei handelt es sich um ein ungarisches Besatzungsmitglied.

 

Suche abgebrochen

Die Suche nach den Vermissten wurde am Mittwoch aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Suchtrupps mussten die "Costa Concordia" Mittwoch früh verlassen, weil das Schiff abrutschte. Messungen zufolge habe sich das havarierte Kreuzfahrtschiff bewegt. Es müsse geprüft werden, ob das Schiff weiter Halt habe und die Sucharbeiten fortgesetzt werden könnten. Derzeit sei es zu gefährlich, sich dem Wrack "auch nur zu nähern". Die Rettungskräfte befürchten, dass das Schiff von den Felsen rutschen könnte, auf denen es derzeit ruht. Dann könnte es vollständig sinken.

Die niederländische Bergungsfirma Smit Salvage könnte zwei Wochen brauchen, um den Treibstoff aus dem Wrack abzupumpen. Dies berichtete der italienische Umweltminister Corrado Clini in einer Ansprache vor dem Parlament am Mittwoch. Mehr als zwei Wochen lang könnte die Bergungsfirma mit Sitz in Rotterdam benötigen, um die 2400 Tonnen Dieselöl aus dem Kreuzfahrtschiff zu entfernen. "Der Beginn der Operation hängt von der Wetterlage ab, wir können keine Prognosen machen", so der Minister.

Clini warnte vor der Gefahr, dass das Schiff von den Felsen rutschen könnte, auf denen es derzeit ruht. Dann könnte es vollständig sinken. Dann würde es extrem schwierig werden, das Dieselöl abzupumpen. "Wir sind im Wettlauf gegen die Zeit", meinte der Minister. Man werde noch am Donnerstag mit dem Abpumpen beginnen, hieß es.

Tauchen nach Tresor

Inzwischen laufen die Ermittlungen weiter. Taucher sollen die unter Wasser stehende Kabine von Kapitän Francesco Schettino durchsuchen und für die Untersuchung relevantes Material sammeln. Unter anderem soll der Tresor aus der Kabine des Kapitäns geholt werden. (APA)