Wien - Im Wiener Straflandesgericht hat am heutigen Mittwoch der Prozess in der Patria-Korruptionsaffäre begonnen. Von den beiden Hauptangeklagten erschien nur der Wiener Rüstungslobbyist Hans Wolfgang Riedl, der austro-kanadische Unternehmer Walter Wolf ließ sich aus Krankheitsgründen entschuldigen. Insgesamt fünf Personen wird Bestechung, Industriespionage, Bildung einer kriminellen Vereinigung, versuchter schwerer Betrug und gewerbsmäßige Abgabenhinterziehung vorgeworfen. Nach dem Eröffnungsstatement der Anklage und ihrer Anwälte bekannten sich alle Beschuldigten für nicht schuldig.
Im Verfahren geht es um den Verkauf von 135 Radpanzern der finnischen Rüstungsschmiede Patria an Slowenien im Jahr 2006. Bei dem 278 Millionen Euro schweren Deal soll Schmiergeld in Millionenhöhe geflossen sein, um den slowenischen Mitbewerber Sistemska tehnika, einen Partner der Wiener Steyr Daimler Puch Spezialfahrzeuge (SSF) auszustechen. Riedl und Wolf sollen das Schmiergeld an Entscheidungsträger in Slowenien geschleust haben. Wolf ist auch im seit September laufenden Laibacher Patria-Prozess angeklagt, in dem sich der konservative Ex-Premier Janez Jansa als möglicher Schmiergeldempfänger verantworten muss.
Indizien, keine Beweise
Mangels handfester Beweise versuchte Staatsanwalt Volkert Sackmann vor allem die beiden Laienrichterinnen für die Anklage zu gewinnen. "Das ist kein Wirtschaftskrimi, das ist Realität. Im Fernsehen klärt man das in zwei Stunden auf, wir haben drei Jahre dafür gebraucht", sagte Sackmann an die Adresse der beiden Schöffinnen. Er stützt seine Anklage vor allem auf der Aussage des Patria-Verkaufsmanagers Reijo Niitynen, der gegenüber finnischen Ermittlern ausgesagt hatte, ein Teil des an Riedls Firma geflossenen Geldes sei als Schmiergeld für slowenische Parteien bestimmt gewesen. Nittynen habe bestätigt, Anfang August 2005 mit Riedl darüber gesprochen zu haben. "Wenn ein Patria-Verkaufsmanager schreibt, wir brauchen drei Prozent (für die Parteienfinanzierung, Anm.), dann ist das für mich ein Beweis."
Sackmann räumte ein, dass es keinen Beweis dafür gebe, dass das Geld tatsächlich nach Slowenien geflossen sei. Es sei nämlich bar abgehoben und übergeben worden. "Wir werden keine Beweisfotos vorlegen können." Genau da hakte der Anwalt der Verteidigung, Rüdiger Schender, ein: "Es ist noch immer so, dass die Anklage die Schuld zu beweisen hat. Im Zweifel ist stets freizusprechen." "Zweideutige E-Mails, SMS...die man, wenn man es will, schlecht für den Angeklagten auslegen kann" seien Indizien und reichten nicht. Schender verwies darauf, dass die slowenische Panzer-Ausschreibung nicht zugunsten von Patria habe manipuliert werden können, weil sie Vorgaben der NATO entsprechen musste.
Versuchte Bestechung strafbar
Allerdings sei schon die versuchte Bestechung strafbar, betonte Staatsanwalt Sackmann. Zugleich verwies er auf die "dichte Indizienkette". So habe Riedl im Februar 2007 900.000 Euro vom Wiener Konto seines thailändischen Geschäftsfreundes Apichat Sirithaporn abgehoben, und sei zwei Tage später nach Slowenien gefahren - offenbar mit dem Geld. Sirithaporn widersprach nämlich den Angaben Riedls, das Geld erhalten zu haben. Im Zusammenhang mit dem regen E-Mail-Verkehr Riedls mit den slowenischen Patria-Partnern, die zuvor eindringlich die Auszahlung ihrer Provision gefordert hätten, sei dies "fast ein Beweis", betonte Sackmann.
Die Transaktion über das Konto Sirithaporns erfolgte, nachdem Riedl und Wolf damit gescheitert waren, eine Summe von 2,3 Millionen Euro vom Konto Wolfs in der Raiffeisenbank Leibnitz abzuheben. Der Bankbeamte habe Anzeige wegen Geldwäscheverdachts erstattet, nachdem ihm Angaben Wolfs über angebliche Beratungsleistungen für Riedls Unternehmen "zu wenig" waren. Daraufhin habe man im Schnellverfahren Verträge abgeschlossen und Rechnungen gelegt und die Transaktion über eine in Liechtenstein beheimatete Firma Wolfs abgewickelt.
Bei dem Geld handelte es sich laut Anklage um Provisionszahlungen des finnischen Rüstungskonzerns Patria an Riedl. Diesem seien 7,5 Prozent des Auftragsvolumens zugesichert worden. Da stelle sich die Frage: "Wo war die Leistung?" Sackmann verwies in diesem Zusammenhang auf ein Treffen der Niitynens, Riedls, der "rechten Hand Jansas" Joze Zagozen sowie des hohen slowenischen Offiziers Tone Krkovic im Sommer 2005 - ein halbes Jahr vor der offiziellen Ausschreibung des Panzerdeals. Damals seien die Schmiergeldzahlungen vereinbart worden. Im April 2006 habe dann tatsächlich Patria das Rennen gemacht, und zwar gegen die einheimische Tochterfirma der SSF, Sistemska tehnika.
Der dritte Angeklagte Hans-Peter W. soll als Geschäftsführer von Wolfs Liechtensteiner Firma die verdächtigen Transaktionen gedeckt und sich in diesem Zusammenhang der Abgabenhinterziehung schuldig gemacht haben. Frühere SSF-Mitarbeiter wiederum sollen von Riedl Geld erhalten haben, um ihr Unternehmen für Patria auszuspionieren.
Anwalt pocht auf Nato-Vorgaben
Verteidiger Schender verwies aber wiederholt darauf, dass NATO-Kriterien jedweder Korruption vorbeugen würden: "Slowenien war nicht frei irgendetwas zu bestellen, sondern es war gebunden an standardisierte Regeln." Im Vergabeverfahren habe eine 23-köpfige Expertengruppe entschieden, und in allen drei Punkten sei Patria der Bestbieter gewesen. Vom Preis her sei das finnische Angebot sogar um 23 Millionen Euro niedriger gewesen als die Konkurrenz. "Welcher Kaufmann unterbietet einen Preis um 23 Millionen, wenn er weiß, dass er den Zuschlag sicher hat, noch dazu, wenn er Geld für Bestechung aufwenden muss?" (APA)