Die Aktion "Scarves and Monuments" von Igor Grubic (2008/09).

Foto: Igor Grubic

Wien - Es gibt Künstler, die können sich nicht heraushalten. Ihnen ist es nicht genug, ein williges und empfangsbereites Publikum frontal mit ihren Werken zu konfrontieren. Ihre Kunst soll verändern, möglichst mit unmittelbarer Wirkung. Zu diesem Zweck gehen sie mit ihren Werken, die dann Performance, Aktion oder Installation heißen, mitten hinein in das, was sie verändern wollen: in den Alltag, wie er sich stetig und träge durch den öffentlichen Raum schiebt.

Insofern sind die Teilnehmer des berufsbegleitenden "/ecm"-Lehrgangs für Ausstellungstheorie und Praxis an der Universität für angewandte Kunst mit ihrer selbstkuratierten Ausstellung ein gewisses Wagnis eingegangen. Sie haben einige der bekanntesten Installationen und Performances von den 1960er-Jahren bis heute sowie fünf eigens für diese Ausstellung entwickelte Interventionen mit der Verpflanzung in den Project Space Mit sofortiger Wirkung sozusagen domestiziert.

Wer zur rechten Zeit am rechten Ort war, konnte die aktuellen Eingriffe oder, genauer gesagt, die künstlerischen Aktionen im öffentlichen Raum live erleben.

So gerieten Passanten am Wiener Karlsplatz Oliver Hangls La-La-La ins Netz: Summende und singende "Agenten" infiltrierten - oder malträtierten? - Vorübergehende mit einem Ohrwurm, mit Falcos Kommissar. Auf der Mariahilfer Straße konnte man Marusa Sagadin begegnen. Als MC for you vor ort spazierte sie mit einem überdimensionalen Ghettoblaster an den Geschäften vorüber und spielte in voller Lautstärke ihren selbstproduzierten "Werbe"-Jingle. Indem der Text frappierend an bekannte Werbebotschaften erinnert, enthüllt er schnell auch deren Inhaltslosigkeit.

Passanten als Akteure

Einen Konsumaufruf der anderen Art streute das Institut für Alltagsforschung aus: Die Künstler verloren rund um den Karlsplatz absichtlich einige Geldbörsen. Sie enthielten einen kleinen Geldbetrag und unterschiedliche Handlungsanweisungen: "Dies ist eine Maßnahme des Instituts für Alltagsforschung zur Verschönerung Ihres Alltags ...". Unter anderem wurde man aufgefordert, jemandem, den man schon lange nicht mehr gesehen hatte, ein Geschenk zu kaufen. Die Passanten, solcherart selbst zu Akteuren geworden, wurden um Rückmeldungen gebeten. Mit sofortiger Wirkung sind auch Interventionen von Anna Witt und Marlene Haring (sie stellte vor Geschäftseingängen Spiegel auf, in den sich die Käufer selbst sehen konnten) dokumentiert.

Außerdem zu sehen legendäre Aktionen wie etwa Valie Exports Tapp- und Tastkino (1968), Günter Brus' Wiener Spaziergang (1965) oder Christoph Schlingensiefs Bitte liebt Österreich - Erste österreichische Koalitionswoche (2000).

Die Fotos, Texte und Zeitungsausschnitte zu den Aktionen werden auf bewegbaren Ständern präsentiert. Sowohl deren räumliche Anordnung als auch die jeweiligen Infotexte erlauben den Besuchern zahlreiche Querverbindungen. Und damit haben die Ausstellungsmacher aus dem Wagnis einen Gewinn gemacht:

Zwar können sie die Arbeiten nicht in dem Umfeld präsentieren, für das sie entwickelt worden sind. Aber es gelingt ihnen ein nachvollziehbarer und verständlicher Überblick über die Unmittelbarkeit von Kunst. Auch wenn diese Ausstellung streng genommen keine Intervention in den Alltag ist, so zeigt sie dennoch nachhaltige Wirkung.  (Andrea Heinz  / DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2012)