Wien - In der Affäre um die ehemalige Meinl European Land (MEL) ist erneut ein Gutachter wegen Befangenheit abberufen worden. Diesmal musste ein Sachverständiger, der sich im Auftrag des Wiener Handelsgerichts (HG) in Anlegerverfahren mit den umstrittenen MEL-Rückkäufen auseinandersetzen hätte sollen, seinen Hut nehmen. Die Meinl Bank hatte einen entsprechenden Ablehnungsantrag eingebracht und und frohlockt ob des aktuellen Gerichtsentscheids.

Nun sind die Bank und der Anlegervertreter Michael Poduschka angehalten, sich binnen vier Wochen auf ein oder mehrere neue Gutachter zu einigen. Eine HG-Richterin habe den beiden Parteien eine Liste mit möglichen Sachverständigen vorgelegt, sagte Poduschka am Mittwoch.

Laut Meinl Bank hat das HG heute entschieden, dass Oliver Lintner mit sofortiger Wirkung abberufen wird. Das Geldhaus hatte seine Unbefangenheit in Zweifel gezogen, da Lintner als Gesellschafter einer Vermögensverwaltungsgesellschaft in Sachen MEL mit einer Tochter der Meinl Bank geschäftlich in Verbindung gestanden sei "und Kunden dieser Vermögensverwaltungsgesellschaft sich unter den Zivilklägern der Meinl Bank befinden", wie Bankvorstand Peter Weinzierl am Nachmittag mitteilte. Den nunmehrigen HG-Entscheid bezeichnete er als "klares Zeichen von Objektivität eines unabhängigen Gerichts".

Lintner hätte erarbeiten sollen, wie sich die MEL-Rückkäufe auf den Kursverlauf des Papiers - und damit auf das veranlagte Kundenvermögen - ausgewirkt haben. Dies ist auch ein zentrales Thema im Strafverfahren gegen Julius Meinl, Weinzierl und andere; die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt wegen Verdachts auf Untreue und Betrug.

Das Strafverfahren wiederum stockt seit langem - auch wegen der Sachverständigenfrage. Die Meinl Bank war etwa gegen den Gutachter Thomas Havranek erfolgreich zu Felde gezogen: Im Herbst 2009 wurde er aus Befangenheitsgründen - er hatte in einer Zeitung einen Meinl-kritischen Kommentar verfasst - abberufen. Es folgte ab Februar 2010 der Grazer Wirtschaftstreuhänder Fritz Kleiner, der jedoch im November 2011 selbst das Handtuch warf, nachdem sein Gutachterauftrag massiv eingeschränkt und ihm ein zusätzlicher Sachverständiger an die Seite gestellt worden war. Nun soll Martin Geyer eine Expertise verfassen, diesen will die Meinl Bank aber ebenfalls loswerden und brachte im Dezember einen entsprechenden Ablehnungsantrag ein. (APA)