Sie waren jahrelang die duldsamsten Europäer. Selbst als die rumänische Regierung ab Sommer 2010 die Gehälter im öffentlichen Sektor mit der Rasenmähermethode um ein Viertel kürzte und 400.000 Beamten entließ, war kein Aufstand in Sicht. Viele Rumänen schüttelten über die Proteste in Griechenland den Kopf, sind doch ihre Gehälter im Vergleich viel geringer. Sie waren jahrzehntelang gewohnt, tapfer zu sein. Nun haben einige die Empörung entdeckt. Weshalb und weshalb jetzt?

Präsident Traian Basescu, der die Regierung wie ein Marionettenkabinett dominiert, wollte den effizienten Rettungsdienst Smurd reformieren. Nun kennt fast jeder Rumäne jemanden, der von Smurd gerettet wurde. Basescus verbale Attacken gegen den Smurd-Gründer löste demnach einen Kampfreflex aus: Hier geht es um Leben oder Tod.

Auch Basescus politische Karriere ist mittlerweile in Gefahr. Denn anders als in Russland und in Ungarn liegt die Opposition in Umfragen bei 50 Prozent. Allerdings ist es zu bezweifeln, dass die Demonstranten auf ihre Seite wechseln, denn für viele sind Parteien und Gewerkschaften an sich unglaubwürdig. Auch die Sozialdemokraten in Spanien konnten die „Empörten" in Madrid nicht überzeugen.

Laut dem Politik-Analysten Cristian Pirvulescu ist der rumänische Protest Teil einer globalen Bewegung, die für mehr soziale und politische Demokratie eintritt. Diese Leute wollen keine andere Partei, sondern eine neue Politik. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2012)