Ein wunderbar luftiges Hirn mit Ei

Aubergine in 1010
Zweimal vier Gänge (58 Euro) plus Käse, Weinbegleitung, Saft, Bier, Kaffee: 176,30 Euro

Stierhoden mit Speck und Chili

Kutteln mit krossen Erdäpfelstäbchen

Kalbsbacke sieht lila: Toller Saft, etwas kühles Püree

Zwei Gäste, zwei Käse, passt uns gut

Fotos: Harald Fidler

Manche Dinge brauchen ein bisschen länger, gerade bei Schmeck's, und den richtigen Partner in Crime. Gut, ich habe schon ein zehn- oder mehrgängiges Innereienmenü in Begleitung einer Vegetarierin verputzt, einen Sautanz mit einer anderen, noch viel Radikaleren aufgeführt, obwohl ich die da erst wenige Tage näher kannte. Aber die gesammelten inneren Werte in der Inneren Stadt gingen sich nicht aus. Vier dieser Gänge im Aubergine möchte man halt auch keiner Frau zumuten, die sich a) auf die Filetstücke des Lebens konzentriert und tunlichst b) keine allzu jungen Tiere verspeisen möchte. Wie soll man sich denn vor deren Augen Kalbskutteln einverleiben?

Fluffy Hirn, scharfe Hoden

Tobias Müller, der offenkundig auch keine Angst vor Userinnen und Usern kennt, hält sowas bestimmt ganz gut aus, dachte ich. Und tatsächlich: Er wirkte nach vier Gängen plus Käse im Aubergine fast fitter als nach zwei Gängen mit Käse in der Goldenen Kugel in 1090. Aber da hat er auch erst am nächsten Tag über eine Nacht voll Völlegefühl geklagt. Wir sollten also langsam in die Gänge kommen.

  • Hirn mit Ei, fluffy wie selten erlebt, Schnittlauch und gut temperierte Schärfe schmecke ich, Müller ein Gewürz, das er gerade nicht benennen kann. Bin ich beruhigt, dass es auch dem Chef von nebenan so gehen kann. Padron Wiesinger tippt erst auf den Kümmel (danke schon dafür, ich Depp) und kommt dann aus der Küche mit "Muskat" zurück. Na gut, wenn er meint, wollen wir das auch so sehen.
  • Stierhoden mit Speck und Chili. Mir ein bisschen zuviel Chili und zuwenig Hoden, aber das sag ich ungern laut. Müller wiederum wundert sich bei seinem Erstversuch am männlichen Geschlecht über wenig Eigengeschmack. Hm. Hat der Mann eigentlich noch nie im Wirtshaus weiße Nieren bestellt?

Kreuzstich am Fisch

Müller spricht an dieser Stelle lieber darüber, wie der Japaner kunstvoll Fische tötet, unter anderem, indem er ihnen mit einer Nadel das Rückenmark rausschiebt, und wie anders (nämlich schmackhafter) das Filet-o-Fisch dann schon aussieht. Ein interessanter Versuch des french culinary institute, mehr dazu hier.

  • Da kommt aber schon die Kalbskuttel ins Spiel, und die ist vermutlich fast so akribisch gewaschen wie der japanische Fisch getötet. Ich finde, ganz abgesehen von der liebevollen Behandlung des Kalbsmagens, die Kombination des weichen Frottees mit krossen Erdäpfelminifrittes sehr spannend. Müller ist im ersten Moment der Paprika zu präsent, wird aber nach einigen Bissen doch sagen: der definitiv beste Gang des Abends. Ich soll noch die angenehme Schärfe der Kutteln loben, hat er mir aufgetragen, und das tu ich natürlich gern.
  • Vielleicht liegt seine Begeisterung ja auch an der (t) spannenden Weinbegleitung: Ruländer aus Pamhagen, von Andert, 2009, also Grauburgunder, Biowein. Sehr eigen pflaumig, fanden wir. Davor Weißburgunder Jägerberg, nach meiner Erinnerung 2010, und jedenfalls aus 2010 einen Sauvignon von Zorzon aus Cormons. Dann eine Vierercuvee von Riberach, die ich definitiv nicht mehr identifizieren kann, aber ebenso definitiv sehr schön fand zu...
  • den Kalbsbacken, die unser Innereienmenü ein bisschen an die Peripherie des Tieres trugen. Kein Fehler, fand ich, wiewohl das lila Erdäpfelpüree schon ein bisschen lau war. Aber: Gut in Säften stehen Wiesinger wie sein Kompagnon (und, schon nach seiner Jacke und ihren Malen zu schließen, Küchenchef) Florian Hrachowina, stellen wir fest: sehr reduziert, sehr fein. Und trotz seiner Freude an der Sauce hat der Kollege denn doch noch etwas vermisst: "Doch sehr viele sehr weiche bis breiige Gänge - knackige Nierndln oder ein Herz dazwischen hätten für etwas Abwechslung gesorgt." Da kann ich ihm nicht widersprechen.
  • A propos vermissen: Ob Livarot (hier: Liverot) und viele seiner auf der großen Käsetafel ausgeschilderten Freunde aus waren, vermag ich nicht zu sagen, wir folgten jedenfalls gerne Hrachowinas Vorschlag, den Käsegang doch auf Münster und Camembert zu beschränken, und Wiesingers ausgesprochen schlüssigen Plan, den kleinen Stinkern einen Gewürztraminer aus dem Elsass zur Seite zu stellen. Nein, ich hab mir leider, leider, leider keine erkennungsdienstlichen Daten notiert.

Zwei neue Auberginen und ein Elsässer

Das leitet ohne Eleganz über zum eigentlichen, wenn auch gerade erst gefundenen Anlass für diesen Schmeck's-Eintrag (abgesehen vom Plan mit Müller im überbuchten Dezember und meinem generellen Innereienfaible):

  • Wiesinger und Hrachowina engagieren einen elsässischen Koch, dessen Namen sie noch nicht verraten. Wir werden ihn wohl in diesen Tagen bei Corti oder Co. lesen können (wenn er schon zu lesen war: sorry, bin auf Urlaub und schreibe nur). Elsässer kann gut sehr gehen, sehen aber manche Menschen mit Blick auf das Sofitel auch anders.
  • Das Aubergine in der Innereien Stadt betreiben die beiden weiter, sagen sie, dazu aber schon ab Februar die Steirerstuben in 1050, die sie, sagen sie, zu ihren Ursprüngen zurückführen wollen. Vermutlich verstehen sie die Ursprünge anders als die vorherigen Betreiber, die mit ihrer Interpretation offenbar keinen wirklich nachhaltigen Erfolg hatten.
  • Auch nordostwärts treibt es die beiden Herren heuer: Am Wasserpark (Alte Donau, Floridsdorf) werden sie ein Ausflugslokal mit 120 Sitzplätzen (drinnen und draußen zusammen) betreiben.

Möge die Übung gelingen, finden Müller und ich. Hoffentlich übernehmen sich die beiden nicht.