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Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser will im Untersuchungsausschuss nichts sagen.
Der Tag der Wahrheit rückt näher. Am Mittwoch wurde die Zeugenliste für den Untersuchungsausschuss zum Korruptionsskandal bei der Telekom und anderen staatsnahen Unternehmen vorgelegt. Am 26. und 31. Jänner sowie am 1. Februar ist es so weit: Zwölf Auskunftspersonen werden geladen. Unter ihnen auch Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach. Doch was erwartet die ehemaligen Politiker, wenn sie ihrer Ladung nicht nachkommen oder gar schweigen?
Gemäß der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse kann der Ausschuss bei Gericht die Verhängung einer Ordnungsstrafe beantragen, wenn eine geladene Person der ihr zugestellten Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistet. In dieser Verfahrensordnung, die einen Teil der Geschäftsordnung des Nationalrats darstellt, werden außerdem taxativ Gründe angeführt, aus denen eine Aussage verweigert werden darf. Das ist beispielsweise zulässig, wenn die Beantwortung die Privatsphäre der Auskunftsperson oder eines Angehörigen betrifft oder für sie oder einen Angehörigen die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung nach sich ziehen würde.
Superkonstruktiv
Auf diesen Passus bezieht sich beispielsweise der Anwalt Karl-Heinz Grassers, Manfred Ainedter, der vergangene Woche das Schweigen seines Mandanten im U-Ausschuss ankündigte. "Solange das Strafverfahren parallel läuft, ist eine Aussage meines Mandanten zu den Themen, die das Strafverfahren betreffen, kein Thema", so Ainedter zur Tageszeitung "Österreich". Rechtlich zulässig? "Die Regelungen der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse entsprechen denen der Strafprozessordnung", sagt der Verfassungsrechtsexperte Bernd-Christian Funk. "Es besteht aber eine Besonderheit. Die Verweigerung ist hier ein fragebezogenes Verweigerungsrecht und nicht wie in der Strafprozessordnung personenbezogen." Der ehemalige Finanzminister müsste also während der Untersuchungssitzung bei jeder Frage angeben, weshalb er seine Aussage verweigert, und dies auch begründen.
"Und da liegt dann das Problem", sagt der Verfassungsjurist. Die Gründe vorzubringen würde ja letztendlich bedeuten, "die Karten auf den Tisch zu legen", und genau das sei ja nicht verlangt. Man kann diese also nur glaubhaft machen. Der Untersuchungsausschuss entscheidet dann, ob die Weigerung rechtmäßig ist. War sie seiner Meinung nach nicht gerechtfertigt, kann er sich noch an das Bezirksgericht Innere Stadt wenden. Er muss dort um eine Beugestrafe ansuchen, wobei das Gericht dann noch einmal selbst überprüfen muss, ob die Weigerung zu Recht erfolgt ist oder nicht. "Ein relativ kompliziertes Verfahren also, aber verständlich aus dem Gesichtspunkt der Wahrung von Verteidigungsrechten", so Funk. Dass Grassers Anwalt das Schweigen seines Mandanten öffentlich ankündigt, ist zwar möglich, eine pauschale Entschlagung entspricht aber laut Funk nicht der Verfahrensordnung.
Keine TV-Übertragung ohne neue Geschäftsordnung
Auch die Frage einer TV-Übertragung des Ausschusses ist rechtlich nicht unumstritten. Fernseh- und Hörfunkaufnahmen und -übertragungen sowie Film- und Lichtbildaufnahmen erklärt die Verfahrensordnung in Paragraf 4 explizit für unzulässig. "Da müsste man die Geschäftsordnung für Untersuchungsausschüsse ändern", so der Verfassungsrechtler. SPÖ-Fraktionsführer Hannes Jarolim hat am Mittwoch den Vorschlag gemacht, man könne doch die Auskunftspersonen befragen, ob sie einer Aufnahme zustimmen. Aber: "Auf eine Zustimmung kommt es hier nicht an", sagt Funk. Auch wenn die Auskunftspersonen zustimmen würden, sei dies nach der Geschäftsordnung verboten.
Der grüne Abgeordnete Peter Pilz will hingegen einen Kompromiss: Die Befragungen von "Privatpersonen" dürfe nicht gezeigt werden, jene von "Personen des öffentlichen Lebens" schon. "Wir haben hier eine ganz klare Reglementierung in der Verfahrensordnung, und die sagt, dass Fernsehübertragungen unzulässig sind", sagt Funk. "Darum kommt man nicht herum. Bei gegebener Rechtslage wäre dies rechtswidrig." Solle es zu einer TV-Übertragung kommen, müsse man die Geschäftsordnung ändern. Das wäre dann nur mit einer Zweidrittelmehrheit möglich. Es könnten sich also noch rechtliche Abgründe in der Causa Untersuchungsausschuss auftun. "Man wird sehen, wenn der Ausschuss wirklich arbeitet, was es da an Problemen, Fallstricken, Konflikten und Auseinandersetzungen alles geben wird", betont Funk. (wik, derStandard.at, 19.1.2012)