Johannes Gänzer ist leitender Oberarzt an der Abteilung für Innere Medizin im Landeskrankenhaus Hall in Tirol. In verschiedenen Vorträgen hat er sich mit Yoga aus medizinischer Sicht auseinandergesetzt.

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Schwierige Verrenkungen und komplizierte Positionen machen Yoga zu einem Sport mit hohem Verletzungsrisiko.

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Die "New York Times" hat dieser Tage die Yoga-Fangemeinde in helle Aufregung versetzt. Der Redakteur William Broad berichtet von schweren gesundheitlichen Schäden. Der Yoga-Lehrer Glenn Black ist der Meinung, dass die meisten Leute Yoga wegen der hohen Verletzungsgefahr aufgeben sollten. Der Tiroler Internist Johannes Gänzer erkennt die gesundheitlichen Gefahren des Massensports und empfiehlt, moderate Formen zu praktizieren.

derStandard.at: Ist Yoga tatsächlich so gefährlich?

Johannes Gänzer: Auch mir ist im Bekanntenkreis bereits aufgefallen, dass Yoga immer häufiger Verletzungen nach sich zieht. Ich führe das darauf zurück, dass Yoga zum Massensport geworden ist und in vielen Fällen extrem praktiziert wird. Es ist genau so wie von der "New York Times" beschrieben: Immer mehr Leute gehen über ihre eigenen Grenzen hinaus, machen sehr komplizierte, zum Teil auch gefährliche Übungen wie schwierige Asanas (Körperhaltungen, Anm.) und erhöhen damit das Risiko, sich zu verletzen.

derStandard.at: Also besser gar nicht erst anfangen?

Gänzer: Nein, denn in Summe betrachtet hilft Yoga mehr, als es Schaden verursacht. Es ist wie beim Skitourengehen. Natürlich gibt es auch Lawinentote, aber die meisten Tourengeher profitieren gesundheitlich von diesem Sport.

derStandard.at: Für wen ist Yoga geeignet?

Gänzer: Für jeden, es hängt aber von der Art des Yogas ab. Es gibt ja hunderte verschiedene Richtungen, und insbesondere der Iyengar-Stil, der viel über die Wirkung von Asanas arbeitet, ist für die Allgemeinheit wenig geeignet. Andere Yoga-Formen, die ihren Schwerpunkt mehr auf Meditation legen, kann jeder praktizieren. Das Problem ist, die Menschen finden sich in dem Yoga-Dschungel nicht mehr zurecht und achten nebenbei viel zu wenig darauf, was ihnen ihr eigener Körper sagt.

derStandard.at: Mit welchen Schäden muss man unter Umständen rechnen?

Gänzer: Im Wesentlichen mit Wirbelsäulenschäden. Die neurologischen Schäden, die der Redakteur William Broad beschreibt, sind vor allem Bandscheibenvorfälle, die mit nervalen Schäden einhergehen können.

derStandard.at: Hormon-Yoga für Frauen in den Wechseljahren boomt im Moment. Ist das noch seriös?

Gänzer: Das scheint tatsächlich zu funktionieren, allerdings ist hier weniger die körperliche als die spirituelle Komponente ausschlaggebend. In einer Studie wurde dokumentiert, dass Meditation Einfluss nimmt auf Entzündungsparameter im Blut und dass Wechselbeschwerden wie die Hitzewallungen deutlich besser werden.

derStandard.at: Die positive Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System ist unbestritten?

Gänzer: Ja, und auch logisch erklärbar. Yoga beeinflusst das vegetative Nervensystem positiv, indem es den Sympathikus hinunterreguliert und den Parasympathikus aktiviert. Das hat Auswirkungen auf den Blutdruck und nachfolgende Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch dafür sind vor allem die Entspannungs- und Atemübungen verantwortlich.

derStandard.at: Was empfehlen Sie dem Laien, der sich für Yoga interessiert?

Gänzer: Es zu machen und den Fokus auf meditative Elemente zu legen. Letztendlich ist immer die Frage, wie man Yoga betreibt. Mit moderaten kleinen Schritten sind zwei Drittel aller Übungen für die meisten Menschen gefahrlos machbar. Möglichst schnell im Handstand verkehrt die Füße nach hinten zu bringen, sollte aber auf keinen Fall das Ziel sein. (derStandard.at, 19.1.2012)