Von außen wirkt das Gebäude der Justizanstalt irgendwie anders, als man sich ein Gefängnis vorstellt.

Foto: Susanne Wolf

Maria F. (Name geändert) wurde wegen Raubs zu zweieinalb Jahren Haft verurteilt. Erst nach ihrer Verurteilung erfuhr sie, dass sie schwanger war.

Foto: Susanne Wolf

Kinder, die über ein Jahr alt sind, besuchen den Kindergarten, der sich außerhalb der Anstalt befindet und auch für Kinder von Justizwachebeamten zur Verfügung steht.

Foto: Susanne Wolf

Die Zellentüren in der Mutter-Kind-Abteilung sind rund um die Uhr geöffnet, damit die Mütter bei Bedarf ihre Kinder versorgen können.

Foto: Susanne Wolf

Freundlich, geradezu einladend präsentiert sich die Justizanstalt Schwarzau im südlichen Niederösterreich ihren Besuchern. Wären da nicht die hohen Mauern rund um das weitläufige Gelände und die gesicherte Einfahrt - niemand käme auf den Gedanken, dass sich hinter dem ehemaligen kaiserlichen Jagdschloss ein Frauengefängnis verbirgt. Bis zu 171 Frauen büßen hier ihre Haftstrafen ab, die Straftaten reichen von Eigentumsdelikten bis zu Mord. In der Mutter-Kind-Abteilung dürfen erziehungsberechtigte Mütter ihre Kleinkinder bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres bei sich haben.

"Im günstigsten Fall hat die Mutter das Kind bei sich und wird bis zum dritten Geburtstag des Kindes entlassen", sagt Gottfried Neuberger, Leiter der Justizanstalt. "Bei all jenen Müttern, die eine längere Haftstrafe bekommen haben, muss das Jugendamt darüber entscheiden, was mit dem Kind geschieht. Ob es bis zum dritten Geburtstag bei der Mutter verbleibt oder von Anfang an woanders untergebracht wird, z. B. beim Vater oder den Großeltern." Die Altersgrenze sei eingeführt worden, da aus psychologischer Sicht die Kontakte zur Außenwelt ab drei Jahren wichtiger würden.

Spielplatz und Streichelzoo

Zurzeit sind in der Mutter-Kind-Abteilung der Justizanstalt Schwarzau sechs Mütter mit insgesamt sieben Kindern untergebracht. Kinder, die über ein Jahr alt sind, besuchen den Kindergarten, der sich außerhalb der Anstalt befindet und auch für Kinder von Justizwachebeamten zur Verfügung steht.

Die Mütter der Kindergartenkinder gehen einer geregelten Arbeit innerhalb der Justizanstalt nach. Laut Strafvollzugsgesetz ist "jede Strafgefangene zur Arbeit verpflichtet und hat die Arbeiten zu verrichten, die ihr zugewiesen werden". Gearbeitet wird in der Küche, der Landwirtschaft, der Gärtnerei oder der Wäscherei. Für die Kinder stehen ein Spielplatz und ein Streichelzoo zur Verfügung, außerdem gibt es regelmäßig Ausflüge zum anstaltseigenen Gutshof.

"Eine große Dummheit"

Der erste Blick in die Mutter-Kind-Abteilung zeigt einen hellen Gang, an dem die einzelnen Zellen liegen. Ein kleines dunkelhaariges Mädchen wuselt vorbei, ein anderes Kind blickt uns am Arm seiner Mutter neugierig entgegen. Die Zelle von Maria F. (Name geändert) besteht aus einem schmalen Bett, einem Gitterbett, einem kleinen Tisch mit zwei Sesseln und einer Waschmuschel. Duschen stehen in einem Extraraum zur Verfügung. "Man kann hier jederzeit duschen, wenn man möchte", erzählt die 30-Jährige, und dieses Detail scheint große Bedeutung für sie zu haben.

F. wurde wegen Raubes zu zweieinalb Jahren Haft verurteilt, davon hat sie beinahe ein Jahr abgesessen. Der Vater ihres Kindes sitzt ebenfalls im Gefängnis - sie wurden gemeinsam für den Raub verurteilt. "Es war eine große Dummheit, die ich nicht mehr rückgängig machen kann", sagt F., und dass sie erst in der Haft von ihrer Schwangerschaft erfahren habe. Als sie von der Geburt ihres Babys im Krankenhaus Neunkirchen erzählt, wird die kleine, rundliche Frau emotional: "Die Tage in der Klinik waren die schönsten während der Haft!" An der Zellenwand hängen Fotos von F.s größeren Kindern, zwei Mädchen. Ihr Blick wird sehnsüchtig, als sie von ihnen erzählt. "Sie leben bei meiner Mutter, das letzte Mal habe ich sie vor drei Wochen gesehen."

Der Alltag ist lang

Auch zum Vater der älteren Mädchen hat F. keinen Kontakt. Unruhig streift die Inhaftierte durch die Zelle, immer ihr verschnupftes Baby auf dem Arm. Auch wenn die Zellentüren in der Mutter-Kind-Abteilung rund um die Uhr geöffnet sind, damit die Mütter bei Bedarf ihre Kinder versorgen können, werden die Tage lang. "Ich kann in den Hof gehen und mich mit den anderen Frauen unterhalten, aber sonst gibt es hier nicht viel zu tun." Ein Fernseher steht im Gemeinschaftsraum zur Verfügung, doch "mit dem Kindergeschrei im Hintergrund habe ich nicht viel davon". Auf die Frage, was sie sich für ihr Baby wünsche, antwortet F., ohne lange zu überlegen: "Dass sie mit ihren Schwestern aufwachsen kann."

Bezirksinspektorin Elisabeth Schiessl, selbst Mutter zweier Kinder, leitet die Mutter-Kind-Abteilung in Schwarzau seit 25 Jahren. Sie ist Hauptansprechpartnerin für die Mütter in Haft: "Die Frauen kommen mit ihren Problemen und Wünschen zu mir, erzählen mir aber auch positive Erlebnisse." Schiessls Hauptanliegen ist es, den Kindern das Gefühl zu nehmen, eingesperrt zu sein: "Wir bemühen uns, den Kindern ein möglichst normales Leben zu ermöglichen."

"Warum sperrst du mich jetzt ein?"

Trotzdem komme bei einigen irgendwann die Frage: "Warum sperrst du mich jetzt ein?" Schiessl erzählt von der Begeisterung der Kinder, wenn sie zum Kinderarzt fahren dürfen: "Sie lieben es, mit dem Auto zu fahren." Einmal in der Woche geht die Bezirksinspektorin mit den Kindern eine große Runde durch den Anstaltspark: "Das ist jedes Mal ein Erlebnis - vom Laubrascheln bis zum Streichelzoo."

Für Kinder, die Bezugspersonen außerhalb der Justizanstalt haben, gebe es auch die Möglichkeit, "Urlaub" zu machen: "Dann ist das Kind beispielsweise eine Woche bei den Großeltern. Auf diese Weise verliert es nicht so schnell den Familienanschluss."

Frauen sind weniger gewalttätig

In Schwarzau wird viel Wert auf Einfühlungsvermögen in die weibliche Psyche gelegt. "Ein Frauengefängnis hat andere Sicherheitsansprüche als ein Männergefängnis - weibliche Gefangene sind weniger gewalttätig und weniger fluchtgefährdet als Männer", erklärt Anstaltsleiter Neuberger. Trotzdem könne nur ein kleiner Teil von ihnen sich am Anstaltsgelände frei bewegen, da die Gefahr, dass Suchtmittel aufs Gelände geschmuggelt werden - beispielsweise über die Anstaltsmauer -, zu groß sei. "Die Suchtmittelproblematik ist sicherlich eine der größten Herausforderungen innerhalb der Anstalt."

Für viele bedeute die Haftstrafe aber auch die einzige Chance, von den Drogen wegzukommen: "Ein Gefängnis ist der einzige Ort, an dem Drogen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Zudem arbeiten zehn Therapeuten für uns, die die suchtkranken Frauen, die aus ärztlicher Sicht eine therapeutische Behandlung benötigen, behandeln", sagt Neuberger. "Wenn man dann die Vorgeschichte erfährt, die psychischen und physischen Probleme hinter den Taten, hat man meist mehr Verständnis für diese Frauen."

Auf die Frage, ob es notwendig sei, Menschen auch wegen kleinerer Delikte einzusperren, antwortet Neuberger: "Von den ca. 8000 Gefangenen österreichweit sind nur einige hundert wirklich gefährlich, fünf Prozent davon sind Frauen. Insbesondere für Jugendliche wären andere Maßnahmen als die Haft sinnvoll. Aber das ist nun mal das Gesetz." (Susanne Wolf, derStandard.at, 20.1.2012)