Wien - Im Prozess um die Bundesbuchhaltungsaffäre hat am Donnerstagnachmittag der suspendierte BHAG-Bereichsleiter Wolfgang W. (47) erklärt, weshalb er dem Chef des Bildungsinstituts "Venetia", Kurt D., unberechtigte Forderungen in Millionenhöhe bestätigt und ihm bzw. dessen Gläubigern am Ende 16, 9 Millionen Euro überwiesen hatte. "Dieser Mensch hat mich vollständig in den Bann gezogen. Seit damals verstehe ich jede Person, die einer Sekte erliegt", gab der Beamte zu Protokoll.

Der 56-jährige Kurt D. sei als "Sir" aufgetreten, habe ihn etwa stets mit "Herr Vorstand, küss die Hand" begrüßt, erinnerte sich Wolfgang W. Von den ersten privaten Treffen an sei er "diesem Menschen mental vollkommen unterlegen" gewesen. Kurt D. habe fortan "nicht mehr Ruhe gegeben, mich alle zwei Stunden angerufen", so dass er sich schon gewundert habe, was dahinter stecken könne.

Vermutlich waren es die finanziellen Probleme des 56-Jährigen, die dieser bereinigen wollte. Jedenfalls brachte der "Venetia"-Chef den mittlerweile befreundeten Beamten der Buchhaltungsagentur des Bundes (BHAG) im Jahr 2007 dazu, ihm zunächst eine Forderung gegenüber der Republik über 10,2 Millionen Euro zu bestätigen. "Er hat mich ziemlich bedrängt, dass ich schnell eine Unterschrift hergebe, damit er weitermachen kann. Er hat meine Hand genommen. Ich musste ihm in die Augen schauen. Ich konnte mich nicht wehren", erzählte Wolfgang W.

In weiterer Folge habe Kurt D. immer neue Bestätigungen begehrt: "Die Texte hat er geschrieben. Ich hab' dummerweise unterschrieben. Er hat immer neue Bescheinigungen mit neuen Zahlungszielen gebraucht. Er hat mich ununterbrochen bugsiert. Der Druck war massivst. Ich habe den Druck nicht mehr ausgehalten." Darüber nachgedacht, was Kurt D. mit diesen Papieren machen könne - der Unternehmer verkaufte die Forderungen teilweise über Mittelsmänner an Investoren -, habe er nicht, meinte der Beamte.

Als Ende 2007 erste Investoren sich telefonisch bei ihm meldeten und ihn bedrängten, weil sie auf Basis der erworbenen Schuldscheine Geld sehen wollten, habe er "in der Hoffnung, dass es dabei bleibt, eine erste Überweisung gemacht", so Wolfgang W. Ein Irrtum, wie sich alsbald herausstellte. Nachdem er 1,3 Millionen hergegeben hatte, wurde dem Beamten telefonisch mit Anzeigen und Klagen gedroht, so dass er weitere Millionen transferierte. Dies, obwohl die "Venetia" zwischenzeitlich bereits ihre Tätigkeit eingestellt hatte: "Die Liste der Überweisungen ist vom Herrn D. gekommen."

Dass Bescheinigungen über vorgebliche Forderungen gegenüber der Republik Österreich ausgestellt wurden, war in der BHAG offenbar kein Einzelfall. Wie ranghöchste BHAG-Vertreter nun im Zeugenstand einräumten, hatte nicht nur Wolfgang W. entsprechende Papiere ausgestellt.

"Das hat es nicht nur im Bereich von Herrn W. gegeben, sondern war auch in anderen Bereichen üblich", sagte ein in der Internen Revision tätiger Bereichsleiter. "Forderungsbestätigungen waren mir nicht bekannt", deponierte in diesem Zusammenhang zunächst der aktuelle BHAG-Geschäftsführer Helmut Brandl. Auf näheres Befragen von Richter Thomas Kreuter relativierte Brandl dann aber, es hätten "Saldobestätigungen" existiert. Als er den vom Richter erwünschten Unterschied zwischen Forderungs- und Saldobestätigungen definieren sollte, hatte Brandl einige Mühe.

Ebenfalls vernommen wurde ein mitangeklagter Wiener Rechtsanwalt, der als Treuhänder in den regen Handel mit den Forderungsbestätigungen verwickelt war. "Welcher Investor zahlt schon gern auf eine Schweizer Firma? Deswegen war ich eingeschalten. Die Einzelinvestoren wollten total abgesichert sein", erklärte der Jurist. Er betonte, von der Rechtmäßigkeit der Forderungen überzeugt gewesen zu sein, und bekannte sich daher "nicht schuldig". (APA)