Verschränkte Qubit: Wiener Experimentalphysiker konstruierten einen Quantencomputer, dem alle Berechnungen und Ergebnisse verborgen bleiben.

Foto: EQUINOX GRAPHICS

Wien - In allernächster Zukunft wird man vor dem Problem nicht stehen. Dafür haben aber schon jetzt Wiener Experimentalphysiker um die Dissertantin Stefanie Barz eine Lösung parat: Angenommen, Sie haben - sagen wir im Jahr 2023 - eine tolle Anwendung für einen Quantencomputer entwickelt. Und zufällig gibt es auch eine Firma, die gerade die ersten dieser neuen Wundercomputer zum Einsatz bringt. Das Problem liegt auf der Hand: Sie wollen nicht, dass der Code Ihrer Anwendung durch die Tests am Quantencomputer verraten wird, und die Firma will vermeiden, dass dadurch umgekehrt etwas über die Technologie ihres Wunderdings bekannt wird.

Barz und ihr Team erbrachten in Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen im US-Fachblatt Science (Bd. 335, S. 303) den experimentellen Beweis dafür, dass man das Problem elegant umgehen kann: Sie entwickelten ein Verfahren, das unter Ausnützung von Quanteneffekten wie der "spukhaften Fernwirkung" die Rechnungen auf Quantencomputern "absolut sicher" macht.

Qubits statt Bits

Mit Quantencomputern sollen Phänomene der Quantenwelt für extrem schnelles Rechnen genutzt werden. In der herkömmlichen Informationstechnologie ist das Bit die kleinste Informationseinheit, es kann zwei Zustände (Ja/Nein oder 0/1) einnehmen. Beim Quantencomputer sollen dagegen Quantenzustände als kleinste Einheit dienen, sogenannte Quantenbits (Qubits). Weil dabei die Gesetze der Quantenwelt gelten, kann ein solcher Quantenzustand unendlich viele verschiedene Schwebezustände zwischen zwei Möglichkeiten einnehmen, sogenannte Superpositionen. Mit mehreren Qubits könnte man deshalb bestimmte Probleme wesentlich schneller lösen als in einem klassischen Computer.

Bisher existieren einfache Modelle von Quantencomputern nur in wissenschaftlichen Laboratorien. Aufgrund ihrer Komplexität wird sich daran wohl auch in Zukunft nichts ändern, einen Quanten-PC für den Schreibtisch wird es noch lange nicht geben. Vielleicht stehen aber eines Tages Quantencomputer in spezialisierten Rechenzentren für Anfragen von außen zur Verfügung - ähnlich wie heute beim Cloud Computing IT-Anwendungen zu Großrechnern ausgelagert werden.

Herkömmliches Cloud Computing birgt ein gewisses Sicherheitsrisiko in sich. Dagegen seien Berechnungen am Quantencomputer aufgrund von Quanteneffekten "absolut sicher", so die Wissenschafter des Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ) an der Uni Wien und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften, die die Arbeit mit Kollegen aus Schottland, Kanada und Singapur durchgeführt haben.

Ausgelagerte Verschränkung

Und so sieht ihr Konzept konkret aus: Der Nutzer muss die einzelnen Qubits in einem nur ihm bekannten Zustand präparieren. Die Physiker verwenden in ihrem Experiment einzelne Lichtteilchen (Photonen) als Qubit, der Zustand ist eine ganz bestimmte Schwingungsrichtung (Polarisation). Diese Photonen werden zum Quantencomputer geschickt, wo sie verschränkt werden. "Das ist das Schöne an dem Konzept, dass der schwierigste Teil - die Verschränkung - ausgelagert ist", erklärte Stefanie Barz.

Verschränkung ist ein seltsam anmutendes Phänomen der Quantenwelt, das Albert Einstein einmal als "spukhafte Fernwirkung" bezeichnet hat: Zwei verschränkte Teilchen bleiben miteinander wie über einen unsichtbaren Faden verbunden, auch wenn sie sich über beliebige Distanzen voneinander entfernen. Misst man an einem dieser Teilchen beispielsweise die Polarisierung, ist jene des anderen augenblicklich ebenfalls festgelegt.

Einweg-Quantencomputer

Im Quantencomputer werden dann die Berechnungen in Form von Messungen an den verschränkten Teilchen realisiert. Bei dem Rechner handelt es sich um einen sogenannten Einweg-Quantencomputer, der auf einem Konzept des theoretischen Physikers Hans Briegel vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) in Innsbruck basiert und erstmals von Anton Zeilinger experimentell realisiert wurde. Die Bezeichnung "Einweg" kommt daher, weil die Photonen bei jeder Messung verbraucht und dadurch vernichtet werden. Daher ist es auch speziell für den Einweg-Quantencomputer wichtig, eine möglichst große Zahl an verschränkten Teilchen als Ausgangssituation zu haben. Ein Schüler Zeilingers, der chinesische Wissenschafter Jian-Wei Pan, hält seit 2011 mit acht verschränkten Photonen den Weltrekord.

Ziel sei es, möglichst viele verschränkte Photonen zu haben - "je mehr, umso komplexere Rechnungen kann man durchführen", so Barz. Weil der Quantencomputer den Zustand, in den der Nutzer die Qubits präpariert hat, nicht kennt, sind für ihn die Rechnungen eine unzusammenhängende Abfolge an Operationen, betonen die Wissenschafter. Er könne daher zu keinem Zeitpunkt Rückschlüsse ziehen, welche Rechnung er gerade durchführt. Der Quantenrechner könne nicht unterscheiden, ob er gerade einen Code entschlüsselt oder einen Eintrag in einem Telefonbuch sucht, "er rechnet 'blind'". Schließlich werden die Ergebnisse an den Nutzer zurückgesendet. "Der Nutzer kann als einziger die Ergebnisse interpretieren und nutzen, da nur er die Ausgangszustände der Qubits kennt", so Barz.

Derzeit arbeiten die Forscher mit vier Qubits, was noch keine großen Rechnungen möglich macht. Konkret könnte mit vier Qubits ein Telefonbuch mit vier Einträgen durchsucht werden, erklärte Barz. Doch mit dem Experiment konnte grundsätzlich gezeigt werden, dass verschiedene Berechnungen funktionieren und der Computer nicht erkennen kann, welche er durchführt. (tasch, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 20.01.2012)