Maggie mag so gerne das rosa Kleidchen anziehen, aber das kann sie nur, wenn sie endlich abnimmt. Denn dicke Mädchen in rosa Kleidchen mag niemand sehen. Oder?!

Foto: Buchcover Maggie Goes on a Diet/Amazon

Darauf haben wir nicht gewartet, aber geschrieben wurde es trotzdem: Der hawaiianische Autor Paul Kramer serviert uns ein bunt bebildertes Diät-Kinderbuch, das sich an Mädchen richtet. In "Maggie Goes on a Diet" (Maggie macht eine Diät) erzählt er die Geschichte einer übergewichtigen 14-Jährigen, die in den Illustrationen eher wie ein Kleinkind aussieht. Und diese Maggie hat klarerweise Probleme mit ihrem Körper: Keine/r mag sie, weil sie dick ist. Von MitschülerInnen wird sie grausam verspottet, und nächtens tröstet sie sich mit Essanfällen am offenen Kühlschrank darüber hinweg.

Erfolgsgeschichte

Das 44-Seiten-Büchlein hat auch gleich einen Rat parat, wie sie sich selbst aus ihrer misslichen Lage befreien kann: Nimm ab, meine Kleine, denn Schlanksein heilt alle seelischen Wunden. Also lässt Kramer Maggie fleißig abnehmen, und siehe da: Sobald 25 Kilo unten sind, klappt es auch mit dem schulischen wie sportlichen Erfolg, dem rosa Kleidchen, das sich eine dicke Maggie nie anziehen hätte können, und mit den Jungs.

Imperfektion unter die Mädchennasen gerieben

Die Botschaft des Kinderbuchs ist und bleibt so unmissverständlich wie problematisch, auch wenn der Autor nach heftiger internationaler Kritik in Mama-Foren, auf Twitter oder mittels Aufrufen auf Facebook den Titel in "Maggie Eats Healthier" (Maggie isst gesünder) abgeschwächt hat: Schlanksein ist die Vorraussetzung für Glücklichsein und willst du von deinen Mitmenschen geliebt werden, sei besser schlank, denn schlank ist besser.

ExpertInnen wie aufgebrachte Eltern sahen durch das Buch schon vor dessen Veröffentlichung letzten Oktober die Gesundheit derjenigen bedroht, denen es eigentlich helfen wolle: Die der Mädchen. So hoch gingen die Wellen, dass die Kontroverse in einem Wikipedia-Eintrag festgehalten wurde. Der Tenor: Mädchen die "Imperfektion" ihres (zu dicken) Körpers unter die Nase zu reiben, würde sie nicht zu gesundheitsbewusster Ernährung bringen, sondern krank machen. Verhindert hat die öffentliche Debatte allerdings nicht, dass das Diät-Kinderbuch Ende Februar frisch umbenannt erneut erscheinen wird.

Epidemie "sich zu dick fühlen"

Dass der Autor seiner jungen Zielgruppe - empfohlen wird das Buch auf der deutschen Amazon-Seite ab sechs Jahren - die Verantwortung über ihre äußere Erscheinung überträgt, ist schon ein starkes Stück, vorallem vor dem Hintergrund der zunehmenden psychischen Belastungen der Heranwachsenden aufgrund ihres Aussehens. Es ist schon längst nicht mehr so, dass die Kleinen unbekümmert ob Körpernormen Kind sein können. 40 Prozent der Mädchen in Westeuropa zwischen 11 und 19 fühlen sich "zu dick" - und sind dabei unter- bis normalgewichtig. Zwischen 14 und 17 Jahren haben über die Hälfte der Jugendlichen in Wien bereits mindestens ein Mal eine Diät hinter sich, weil sie ich als übergewichtig sehen.

Erster Schritt in Richtung Essstörung

Aber auch tatsächlichen jungen Schwergewichtern bringt die Botschaft des Buches mehr Schaden als Nutzen, meint Bewegungsanalytikerin Gabriele Haselberger vom Therapiezentrum "intakt" gegenüber dieStandard.at: "Nur zu sagen, nimm ab, dann geht's dir besser, kann nicht funktionieren." Denn: "Die Aufmerksamkeit auf 'gutes' und 'schlechtes' Essen zu lenken, ist der falsche Ansatz." Ein so reduziertes Essverhalten kann laut Haselberger, die seit dreizehn Jahren mit Betroffenen arbeitet, tatsächlich ein erster Schritt in die Essstörung sein. Sie rät: Finger weg vom Buch und sich wenn schon in einem Gesamtzusammenhang - unbeeindruckt von der Diätindustrie - mit dem Thema Gewicht auseinandersetzen. (red, dieStandard.at, 20.1.2012)