Salzburg - Der 1960 in Philadelphia geborene Dramatiker Nicky Silver packt in sein Stück Pterodactylus viele Stereotype: den schwulen Sohn mit Aids, die alkoholkranke Mutter, die tablettensüchtige und neurotische Tochter, die einen Schwarzen heiraten will, und den gewaltbereiten Vater, der dann auch noch arbeitslos wird. Zutaten für ein rabenschwarzes Drama, angesiedelt zwischen Groteske und Sozialepos, das derzeit an den Salzburger Kammerspielen zu sehen ist. Der ausgestorbene Flugsaurier Pterodactylus steht hier als Symbol für den langsamen Untergang der Bankiersfamilie Duncan, deren Alltag zum Höllentrip auf Zeit wird.

Das Bühnenbild ist eher karg: zwei rote Kunstledersofas, ein Podest und ein Tisch mit der Hausbar. Hier spielt sich die Realitätsverweigerung der Familie Duncan ab. Vor allem Mutter Grace übertüncht alle Probleme mit Smalltalk und entpuppt sich als Kontroll- und Partyfreak mit Drang zur Whiskyflasche. Emma stellt ihren schwarzen Freund Tommy vor, und plötzlich platzt auch noch Sohn Todd in dieses desolate Zuhause hinein und gesteht seine Aidskrankheit. Doch Geborgenheit kann Todd nicht erwarten, denn für die Mutter kann nicht sein, was nicht sein darf.

Die Bühne wird zunehmend zum Schlachtfeld. Todd gräbt im Garten ein paar Saurierknochen aus und baut im Wohnzimmer diesen Mini-Tyrannosaurus-Rex zusammen. Zuvor hat er die Skelettteile samt schwarzer Erde auf den Boden verteilt. Darauf trampeln dann alle Familienmitglieder herum, wie einer auf des anderen Gemüt ständig herumtrampelt. Je mehr Todd die Knochenteile ineinanderfügt, desto mehr demontiert sich die Familie. Mutter Grace trinkt sich langsam um den Verstand und Vater Arthur, nicht gerade moralisch integer, entdeckt plötzlich Gefühle für seinen Sohn Todd, was ihn nicht daran hindert, ihn später fast zu erwürgen.

Am Ende dieser Groteske stehen zwei Selbstmorde, von Tochter Emma (Shantia Ullmann) und Tommy (Peter Marton), die Flucht des Vaters (Axel Meinhardt) und der plötzliche Tod der Mutter (Ulrike Walther) zu Buche. So bleibt Todd (Tim Oberließen) allein zurück.

Regisseur Marco Dott gelingt in der Umsetzung der Spagat zwischen Lächerlichkeit und Tiefgang. Facettenreich spielt das Ensemble eine Familie, die sich in einem Mikrokosmos emotionaler Abtrünnigkeiten perfekt eingerichtet hat. Getragen wird das Stück von Ulrike Walther, die das Wechselbad der Gefühle ausdrucksstark offenlegt. Am Ende lässt einen das Ensemble doch etwas verstört zurück. Denn man weiß: Hier wurde nichts erfunden, nur etwas übertrieben. (Christian Weingartner, DER STANDARD - Printausgabe, 21./22. Jänner 2012)