Mailand - Mit breit angelegten Reformen soll Italien aus der Rezession geführt werden. Der Ministerrat hat am Freitag ein Gesetzesdekret verabschiedet, welches eine weitgehende Deregulierung im Dienstleistungssektor vorsieht. Die Maßnahmen werden von bürokratischen Vereinfachungen, Förderungen für die Finanzierung von Infrastrukturen und einem verstärkten Kampf gegen die Steuerhinterziehung ergänzt. Dadurch will die Regierung das Wachstum um bis zu zwei Prozentpunkte ankurbeln. Der Verbraucherschutzverband schätzt, dass sich dadurch jeder private Haushalt 2012 im Schnitt 465 Euro erspart.

Zahlreiche Berufsgruppen, von Taxifahrern bis zu Apothekern, protestieren landesweit gegen die Deregulierung. Nach dem am Jahresende 2011 verabschiedeten Sparpaket im Volumen von 33 Milliarden Euro leitet Regierungschef Monti nun Phase zwei seines Sanierungsprogramms ein. Sie hält die Regierung für besonders wichtig, um die Glaubwürdigkeit Italiens in der EU wiederherzustellen. Neben Deregulierung in zahlreichen Wirtschaftsbereichen hofft Monti durch den Kampf an der Steuerfront auf massive Mehreinnahmen für die Staatskasse. Laut jüngsten Berechnungen hat die Steuerflucht 2009 rund 120 Mrd. Euro ausgemacht. Dies entsprach rund 30 Prozent der Gesamteinnahmen des Fiskus. Ein Großteil der Steuerhinterziehung betrifft Einkommen- und Mehrwertsteuer. Seit Dezember führt die Regierung nun periodische Blitzaktionen in einzelnen Städten durch. Eine Kontrolle in einem Nobel-Einkaufsviertel Roms ergab jüngst, dass nicht einmal die Hälfte aller kontrollierten Geschäfte und Restaurants ordnungsgemäße Rechnungen ausstellte.

Gas weg vom Netz

Das am Freitag verabschiedete Liberalisierungsdekret betrifft auch den Energiesektor. Der Erdölmulti Eni muss sich von seiner Gasnetztochter Snam Rete Gas trennen. Eni hatte bisher 52,5 Prozent an SRG und wird von der EU-Kommission seit zehn Jahren aufgefordert, die Mehrheitsbeteiligung aufzugeben. Die Öffnung im Gastransport soll bewirken, dass die Gastarife sinken. Auch die Abhängigkeit der Benzin- und Dieseltankstellen von den großen Erdölfirmen soll verringert werden. Vorgesehen ist auch eine Erweiterung des Vertriebs auf Druckmedien und Tabakwaren, Deregulierung heißt auch bei Kfz-Haftpflichtversicherungen und Banken die Devise. Kreditinstitute können künftig auch abends (bis 22 Uhr) offen halten, müssen aber ihre Kosten für Bankomat und Girokonten senken.

Im lokalen Transportwesen sind eine Erhöhung der Zahl der Lizenzen für Taxifahrer und Deregulierung im Pendlerverkehr geplant. Das Schienennetz soll vom Betrieb der Züge getrennt werden. Eine eigens für den lokalen Transport bestimmte Behörde soll neue Regeln schaffen. Die Mindesttarife bei Freiberuflern sollen künftig wegfallen, und Ärzte müssen künftig bei Rezepten das entsprechende, meist billigere Generika-Produkt nennen. Die Anzahl der Apotheken soll durch Aufhebung des Gebietsschutzes steigen.

Um die übermäßig langen Zahlungsfristen der öffentlichen Hand zu verkürzen, können öffentliche Unternehmen künftig Staatsbonds für überfällige Zahlungen nützen. Sowohl Unternehmer- wie auch Bauverband akzeptieren dies. Aktuell belaufen sich die Zahlungsziele im Gesundheitswesen auf bis zu drei Jahre. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 21./22.1.2012)