Shakespeares "Sturm", getanzt.

Foto: Joerg Bauman

Die gipsweißen Figuren in ihren kalkigen Anzügen, mit Hüten und Tüchern vor den Gesichtern oder mit monströsen Köpfen wirken gelinde gesagt unheimlich. Das ist der kanadischen Choreografin Crystal Pite ganz recht. Denn in ihrem neuesten Stück The Tempest Replica wird nach Motiven von Shakespeares Der Sturm getanzt.

Das Festspielhaus St. Pölten zeigt die Arbeit der ehemaligen Tänzerin bei William Forsythe am Samstag in einem einmaligen Gastspiel. Shakespeare-Kenner werden in den bleichen Gestalten jene Geister erkennen, die der Hauptfigur Prospero dienen. Prospero, der zwar die Kunst der Magie studiert, aber trotzdem als Herzog gestürzt wird und mit seiner Tochter auf einer Insel Zuflucht findet.

Crystal Pite ist derzeit mit ihrer Company Kidd Pivot als Choreographer-in-Residence am Frankfurter Mousonturm beheimatet. In The Tempest Replica widmet sie sich einer eigenwilligen Ausdeutung des Theaterklassikers. Ihre Geister spielen als Replikanten - ein Gedanke an den Film Blade Runner ist wohl zulässig - zwischen realen Figuren und deren Kopien in einer Dynamik zwischen Macht, Vergeltung und Aussöhnung.

Pite zerlegt als auf tänzerische Perfektion abzielende Ästhetin ihren Shakespeare mit Fingerspitzengefühl und stellt ihn in rätselhaften und hochartifiziellen Bildern neu her. Ihr Sturm fegt als betörend schöner Wiedergänger des originalen Dramas über die Bühne. (ploe, DER STANDARD - Printausgabe, 21./22. Jänner 2012)