In Anton Schleckers Leben ist alles straff durchkalkuliert. Beruflich, bei der Führung des Drogerie-Diskonters, war dies stets so; und selbst wenn es privat schwierig wird, vergisst er nicht, auf die Zahlen zu schauen. 23. Dezember 1987: Anton Schleckers Kinder Lars und Meike, 16 und 14 Jahre alt, werden aus dem Elternhaus im schwäbischen Ehingen entführt. Die Geiselnehmer fordern 18 Millionen Mark Lösegeld, Schlecker handelt sie herunter auf 9,6 Millionen, angeblich jene Summe, auf die er für solche Fälle versichert ist. Am Heiligen Abend wird das Geld übergeben, die Kinder können sich selbst befreien, die Täter flüchten. Schlecker setzt eine Million Mark Belohnung aus - nicht ohne sich beim Finanzamt zu erkundigen, ob er diese als "außerordentliche Belastung" geltend machen kann.

Seit 2010 sind Lars und Meike Schlecker die Gesichter des Drogerie-Diskonters, der Anfang dieser Woche Insolvenz anmelden wird. Ihre Eltern Anton und Christa, die seit über 40 Jahren verheiratet sind, lassen sich kaum noch in der Öffentlichkeit blicken. Umso präsenter sind sie in dem Familienunternehmen, das sie gemeinsam aufgebaut haben. "Unsere Arbeit ist unser Leben", sagte Schlecker in einem seiner raren Interviews anlässlich seines 65. Geburtstages im vorigen Herbst. Der gelernte Fleischhauer soll eine Vorliebe für knallbunte Versace-Hemden und schnelle Autos haben, das US-Magazin "Forbes" schätzt sein Privatvermögen auf 2,4 Milliarden Euro.

Von solchen Summen können Schlecker-Mitarbeiter nur träumen. Das Unternehmen liegt im Dauerclinch mit den Gewerkschaften, die den Gründer als "Tyrannen mit frühkapitalistischen Allüren" bezeichnen. 1998 wurden Anton und Christa Schlecker zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil sie Mitarbeitern weisgemacht hatten, sie verdienten den Tariflohn - der in Wahrheit deutlich höher lag. Als sie Mitarbeiter in eine Billiglohn-Zeitarbeitsfirma auslagern wollten, handelten sich die Schleckers eine Rüge von der deutschen Bundesregierung ein.

Trotz aller Sparbemühungen bröckelte das Geschäft. "For you - vor Ort" lautete der Slogan, der das Unternehmen im Vorjahr retten sollte. Die offizielle Begründung für das seltsame Denglisch machte den Spruch nicht besser: Er sollte durchschnittliche Schlecker-Kunden ansprechen, die "niederen bis mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen" seien. Diesmal ist Anton Schleckers Kalkulation wohl nicht aufgegangen. (Andrea Heigl, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 23.1.2012)