
Alexander Pollak: "Was gut für die Republik ist, schmerzt vielfach die FPÖ, und was gut für die FPÖ ist, schmerzt in erheblichem Ausmaß unsere Demokratie."
Die FPÖ ist aufgebracht. Das ist nur zu verständlich. Nur wenige Tage nachdem bekannt geworden war, dass "ihr" Korporierten-Ball das nationale UNESCO-Kulturerbe-Siegel trägt, wurde dieses Siegel auch schon wieder zurückgenommen. Nach einer kurzen Schrecksekunde hatte die Österreichische UNESCO-Kommission erkannt, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Ein rechtsextrem durchsetzter Ball kann kein gewolltes Kulturerbe sein.
FPÖ mahnt zur "Zivilcourage"
Doch für die FPÖ kommt es noch schlimmer. Nicht nur das Gütesiegel ist weg, der Korporierten-Ball selbst wird spätestens 2013 aus der Hofburg verbannt werden. Nach jahrelangem Wegschauen und Ignorieren der Proteste haben die privaten Hofburg-Betreiber eingesehen, dass es ihrem Ansehen nicht förderlich ist, wenn sie die Pforten der Hofburg für Vereine öffnen, die weder eine ausgeprägte Distanz zum Nationalsozialismus noch zu rassistischem Gedankengut aufweisen. Der Schritt der Hofburg-Betreiber, den Vertrag mit dem Korporationsring nicht zu verlängern, ist gut für die Republik. Doch was gut für die Republik ist, das schmerzt oft die FPÖ.
Die FPÖ ist sauer. Was machen nun Strache, Graf, Kickl und Co. in ihrer Wut? Sie fangen ein seltsames Spiel an. Das Spiel nennt sich "verkehrte Welt". Sie klauben alles zusammen, was ihnen jemals an antifaschistischer, antirassistischer und pro-demokratischer Rhetorik untergekommen ist, und schleudern diese Rhetorik den Antifaschisten und Antirassisten Österreichs entgegen.
Gutmenschenapartheid?
Wer Rechtsextremismus angreift, ist in der neuen Sprachwelt der FPÖ selbst ein "Extremist" (Strache). Wer gegen Rassismus und Antisemitismus eintritt, vertrete einen "antidemokratischen Gesinnungs- und Meinungsterror" (Strache) und "Gutmenschenapartheid" (ebenfalls Strache). Wer sich für Vielfalt und für eine offene Gesellschaft ausspricht, wird in der Logik der FPÖ zur "antipluralistischen Kraft" (Graf) und zum "linken Mob" (Stefan). Stellungnahmen gegen rechte Hetze seien "Hasspropaganda" (Strache) und die Inanspruchnahme des Versammlungsrechts, um gegen Rechtsextremismus zu protestieren, sei "Terror der Straße" (Strache) und bringe einen in Verbindung mit "gewaltbereiten Schlägertrupps" (Kickl). Zivilgesellschaftliche Organisationen werden in der Sprache der FPÖ zur "selbsternannten Zivilgesellschaft" (Kickl), die keine Kontrolle über ihre "Verbalausbrüche" (Kickl) habe. Menschenrechtsorganisationen wie SOS Mitmensch werden zu Vereinen, die eine "besonders gefährliche Rolle spielen" (Graf). Die FPÖ mahnt daher zur "Zivilcourage" (Graf) gegen jene Organisationen, die gegen Rassismus und Rechtsextremismus ankämpfen. "Ehrenwert" (Kickl) sei ausschließlich, wer den von der FPÖ protegierten Korporierten-Ball besucht.
Den Höhepunkt des Verkehrte-Welt-Spiels der FPÖ bildet eine Aussendung von Strache, in der dieser dazu aufruft, den Anfängen zu wehren. "Wehret den Anfängen", das ist der Leitspruch der Antifaschisten im Kampf gegen das Wiederaufflammen nationalsozialistischer Ideologie und Politik. Die FPÖ pervertiert diesen Spruch nun zum Aufruf zum Kampf gegen diejenigen, die sich für die ungeteilte Menschenwürde einsetzen.
Was die FPÖ bei ihrem Verkehrte-Welt-Spiel nicht merkt, ist, dass sie dabei in die Mühlen ihres eigenen Spiels gerät. Ihr Spiel versetzt sie ausdrücklich in die Position der Rechtsextremisten, Rassisten und Antisemiten, die von der "selbsternannten Zivilgesellschaft" kritisiert werden. Nur aus dieser Position macht es Sinn, alles, was jemals aus dem Mund von Antirassisten und Antifaschisten gekommen ist, gegen genau diese zu verwenden. Mit dieser eindeutigen Positionierung schlägt der Versuch der FPÖ fehl, sich als Verteidigerin der Demokratie zu positionieren.
Im Gegenteil, die FPÖ offenbart in ihrer Reaktion auf das bevorstehende Ende des Korporierten-Balls in der Hofburg sehr deutlich ihr problematisches Demokratieverständnis. Demokratie ist, wenn die FPÖ tun und lassen kann, was sie will. Alle, die politisch gegen die FPÖ aktiv sind, sind prinzipiell Antidemokraten. Die FPÖ versteht unter Demokratie, dass nur diejenigen an "ihrer" Demokratie teilhaben dürfen, die dem Volkstumsdenken der FPÖ entsprechen. Die FPÖ versteht weiters unter Demokratie, dass sie nicht an die Wahrheitspflicht gebunden ist und alle herabwürdigen und wüst beschimpfen kann, die ihr nicht genehm sind. Unter einer "echten" Demokratie versteht die FPÖ, dass sie ein Konzept von Demokratie vertreten kann, das mit Demokratie nichts zu tun hat.
Was gut für die Republik ist, schmerzt vielfach die FPÖ, und was gut für die FPÖ ist, schmerzt in erheblichem Ausmaß unsere Demokratie. Es wäre zu kurz gegriffen, diese FPÖ als nicht regierungsfähig zu bezeichnen. In Wahrheit ist die burschenschaftlich durchsetzte FPÖ des Jahres 2012 nicht demokratiefähig. Wer das nicht erkennt und Personen aus dieser Partei in Machtpositionen hievt, wie dies ÖVP und SPÖ etwa beim dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf gemacht haben, handelt in höchstem Maße fahrlässig. Und wer diese Partei in die Regierung holt, setzt die demokratische und rechtsstaatliche Zukunft Österreichs aufs Spiel.
PS: In obigem Text wird niemand beschimpft. Es wird auch niemandem das Recht auf Meinungsfreiheit abgesprochen. Es wird nicht einmal Rechtsextremen das Recht abgesprochen, irgendwo irgendetwas zu feiern. Sobald dieses Feiern jedoch einen politischen Charakter annimmt, und sei es auch nur durch die gewählte Örtlichkeit, so ist es legitim, ja sogar notwendig, das zu einem demokratiepolitischen Thema zu machen. Dennoch wird die FPÖ in ihrem Unverständnis von Demokratie diesen Kommentar als Anschlag auf die Demokratie begreifen. Aus einem einzigen Grund: weil er sich gegen die FPÖ richtet. (Alexander Pollak, derStandard.at, 23.1.2012)