Zugfahrer sind es wohl gewohnt, sich zu wundern. Nicht nur über Verspätungen, kurz geführte Pendlerzüge und dergleichen. Aus der Perspektive des "Im-Zug-Sitzenden" scheinen die Diskussionen über ÖBB-Großprojekte und die passenden Pro- und Kontrastimmen total absurd und wie in einer Möbiusschleife gefangen.

Pros und Kontras

Eines dieser Megaprojekte ist der Brennertunnel: Südtirols Landeshauptmann Durnwalder ist für den Bau des Brennertunnels. Auch andere Landeshauptleute sind dafür. Warnende Stimmen über die mangelnde Finanzierbarkeit vor allem in Zusammenhang mit Italien, mit der Krise, mit den riesigen notwendigen Geldsummen und der langen Laufdauer des Megaprojekts sind natürlich schon längst aufgetaucht. Ein Tunnel von 60 Kilometer Länge! Unter die Alpen durchgebohrt ...

Wie sieht es da eigentlich mit dem Thema Sicherheit aus? Im zwei Kilometer langen Skifahrertunnel von Kaprun geschah das Unglück erst nach ca. 30 Jahren. 140 Tote oder so. Dieser Tunnel ist jetzt mehr oder weniger zugemauert, daneben fährt jetzt die neue (Mega-)Seilbahn und befördert weiter Skifahrer auf den schmelzenden Gletscher. Die Sicherheit in einem so langen Tunnel wird nach menschlichem Ermessen nie gewährleistet sein. Keine einzige wirksame Sicherheitsmaßnahme wird in diesem Brennerbasistunnel eine Katastrophe auf Dauer hundertprozentig verhindern können, abgesehen von den enormen Kosten, die der Versuch einer permanenten effektvollen Verhinderung von Unfällen verursacht.

Alte Züge weg, her mit den Privaten!

Jetzt wird ja das Eisenbahnwesen dereguliert. Die Privaten werden auf die Schienen gelassen. Gleichzeitig hat man, schon seit Jahren, den berühmten Romulus, den Zug von Wien nach Rom abgeschafft. Ersatzlos! Na ja, es gibt einen Bus, mit Umsteigen in Klagenfurt, Reservierungspflicht, eh klar. Dies hat man eingeführt, nachdem man in Tarvis/Tarvisio einen nagelneuen Bahnhof gebaut hat, der aussieht wie ein Mini-Cape-Canaveral. Für die Lokalzüge aus Udine. Denn knapp daneben können die Wiener ohnehin mit ihren SUVs über die Autobahn nach Süden donnern.

Es ist also zu erwarten, dass nach Fertigstellung des Brennertunnels, wahrscheinlich knapp vor dem berühmten Sankt Nimmerleinstag, die Eisenbahnverbindung von München nach Verona endlich endgültig abgeschafft werden wird. Mit dem Vorbild Tarvis/Tarvisio vor Augen wird das ein Leichtes sein.

Zugfahrer - nur ein paar Verrückte?

Den Leuten, die wirklich Eisenbahn fahren wollen, versucht man ihre (offensichtlich krankhafte) Leidenschaft mit ganzen Bündeln von Maßnahmen auszutreiben: Schließen von Nebenbahnen. (Die Provinzler, die kein Auto haben, sollen daheim bleiben.) Ökonomisches Führen von Pendlerzügen (sprich: möglichst überfüllt). Lückenlose Abschaffung sämtlicher Möglichkeiten, mit einem Auto direkt vor einem Bahnhof stehen zu bleiben (die Leute sollen lieber keine Koffer mitnehmen). Verlegung der Bahnsteige möglichst weit weg von allen kleineren Bahnhöfen (die Leute sollen ordentlich verschwitzt sein, bis sie endlich einsteigen können). Wo es geht, neue Unterführung ohne Lift, der sich wegen der wenigen Reisenden nicht auszahlt (Grazer Ostbahnhof). Die wenigen Verrückten, die glauben, Zug fahren sei eine alternative Fortbewegung ohne Benzinverbrauch, und die daher ihr Fahrrad im Zug mitnehmen wollen, die müssen zur Räson gebracht werden. Die lückenlose Railjet-Versorgung ganz Österreichs, ohne Möglichkeit eines Fahrradtransportes, wird diesen Spinnern ihre Blödheiten schon austreiben. Radfahren ist ausschließlich ein Freizeitvergnügen, dem man gefälligst auf umzäunten Radwegen sonntags im Sommer nachgehen soll, für die Fitness! Das Rad ist kein Transportmittel, schon gar nicht, wenn man es nach Wien oder sonst wohin mitnehmen will!

Und überhaupt: Die geplanten Eisenbahntunnel werden sämtliche vorhandenen und nicht vorhandenen finanziellen Mittel verschlingen, so wird dann halt für das eigentliche Zugfahren leider kein Geld mehr übrig bleiben. Wurscht! Haben sowieso alle ein Auto, und das Benzin wird auch immer billiger. (Leser-Kommentar, Albert Holler, derStandard.at, 24.1.2012)