Bild nicht mehr verfügbar.

Michael Brandtner: Was für Kodak die Digitalkamera war und ist, könnte in Zukunft für Microsoft die Welt der Smartphone-Betriebssysteme sein. Und hier spielt Microsoft mit Windows Phone eine ebenso "tolle" Rolle wie Kodak bei Digitalkameras.

Foto:Mel Evans/AP/dapd

Kodak ist pleite. Das war sicher die Wirtschaftsnachricht am 19. Jänner 2012. Dabei war Kodak noch vor zehn Jahren eine der wertvollsten Marken. So lag Kodak im Interbrand-Ranking der wertvollsten Marken dieser Erde 2001 mit einem Markenwert von 10,8 Milliarden US-Dollar auf Platz 27. Damals war die Marke mehr wert als andere Technologiemarken wie Nintendo, Ericsson, Canon, Samsung, SAP, Xerox und auch Apple.

Die zwei Gründe für den Niedergang

Natürlich ist heute jedem klar, warum Kodak Insolvenz anmelden musste. Die Digitalkamera hat zum Niedergang des Fotofilms und damit zum Niedergang von Kodak geführt. Aber das ist nur der eine Grund. Der andere, viel wichtigere Grund ist der, dass Kodak aus Markensicht mit dieser Entwicklung grundlegend falsch umgegangen ist.

So schrieb ich 2005 in meinem Buch "Brandtner on Branding" über den Niedergang von Kategorien und Marken: "Aber es kann noch schlimmer kommen, nämlich dann, wenn die Kategorie und folglich die Marken in der Kategorie von einer neuen Kategorie 'überflüssig' gemacht werden. Dies passierte etwa den Schreibmaschinen im Zeitalter des PCs. Aktuell passiert dies im Bereich Fotografie. So löst zurzeit die digitale Fotografie die analoge ab. Dieser Wandel bringt enorme Schwierigkeiten für Marken, die im analogen Bereich stark waren."

Marke oder Unternehmen retten?

Und weiter: "In einer solchen Situation lautet die zentrale Fragestellung für das Top-Management: Sollen wir die Marke oder das Unternehmen retten? Die meisten Unternehmen entscheiden sich (leider) dafür, die bekannte Marke um jeden Preis vor dem Untergang bewahren zu wollen. Genau diesen Fehler macht zurzeit Kodak, indem es versucht, sich auch als führende Marke im Bereich Digitalkameras zu etablieren. Man will so die Marke und das Unternehmen retten.

Nur das wird aus zwei Gründen nicht funktionieren:

  1. Kodak wird immer die Einschätzung haben, dass man nebenbei Digitalkameras anbietet.
  2. Kodak hat in diesem Markt die schlechteste Ausgangsposition von allen ernst zu nehmenden Konkurrenten.

Was tun?

  1. Wir würden die Marke Kodak auch in Zukunft auf Fotofilm fokussieren, um dort 'abzucashen', solange dies noch geht.
  2. Wir würden dem Unternehmen empfehlen, als erstes Unternehmen der Welt eine echte Nur-Digitalkamera-Marke zu lancieren. Denn eines ist klar: Noch gibt es nicht die Marke für Digitalkameras. Das ist immer noch die große Chance für das Unternehmen Kodak. Nur, je länger man damit zuwartet, desto schwieriger wird es."

Eigener "Sargnagel"

Dabei hatte Kodak Mitte der 1970er-Jahre die Digitalkamera erfunden und Mitte der 1980er-Jahre die erste kommerzielle Digitalkamera der Welt auf den Markt gebracht. Kodak schuf sich so den eigenen "Sargnagel", weil man mit der Idee Digitalkamera markenstrategisch falsch umging. Kodak hätte frühzeitig eine neue Nur-Digitalkamera-Marke lancieren sollen, um dann das analoge Fotogeschäft und damit auch die eigene Cashcow zu attackieren. So haben es andere gemacht und Kodak steht im Regen. Für Kodak kommt diese Lektion wahrscheinlich zu spät. Microsoft aber sollte dies aufrütteln.

Die Zukunft von Microsoft

Microsoft ist heute mit einem Markenwert von 59,1 Milliarden US-Dollar (Stand 2011) die drittwertvollste Marke dieser Erde laut Interbrand. Das Kronjuwel von Microsoft ist dabei mit Sicherheit das Betriebssystem. So ist Windows der Standard bei Personal Computern. So wie früher Kodak für "Fotofilm" stand, steht Microsoft Windows heute für "PC-Betriebssystem".

Nur, was für Kodak die Digitalkamera war und ist, könnte in Zukunft für Microsoft die Welt der Smartphone-Betriebssysteme sein. Und hier spielt Microsoft mit Windows Phone eine ebenso "tolle" Rolle wie Kodak bei Digitalkameras.

Genau diese Betriebssysteme wie etwa Android sind gerade dabei, über den Tablet-Markt langsam in Richtung Notebooks vorzudringen. Gleichzeitig wird der Stand-PC immer mehr zu einem Auslaufmodell. Und damit kommen wir zur entscheidenden Frage für Microsoft: Brauchen wir in Zukunft wirklich noch so ein komplexes und damit auch (vor allem beim Hochfahren) langsames Betriebssystem? Oder werden in Zukunft auch Notebooks etwa auf einem "aufgemotzten" Smartphone-Betriebssystem laufen?

Microsoft sollte heute das tun, was Kodak nicht machte. Man sollte ein neues Betriebssystem speziell für Notebooks und Tablets unter einer neuen Marke lancieren. Der Fokus dieser Marke sollte auf Geschwindigkeit liegen, um so den Smartphone-Wettbewerb frühzeitig als zu leistungsschwach für Notebooks und Tablets zu blockieren.

Sich selbst attackieren

Natürlich würde so Microsoft auch massiv sein Flagschiff Windows attackieren und kannibalisieren. Das wäre gut so. Denn wenn es Microsoft nicht tut, wird es wahrscheinlich irgendwann jemand anderer tun. Und dann könnte Microsoft als Unternehmen in ernsthafte Schwierigkeiten kommen. Kodak hat den Zeitpunkt übersehen. Microsoft hat noch alle Chancen dieser Erde, wenn man diese nutzen will.