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Friedenspfeife vor Schladming: Marcel Hirscher und Ivica Kostelic.

Foto: APA/Hochmuth

Schladming - Der traditionelle Termin bei den österreichischen Slalomisten im Hotel Pichlmayrgut bei Schladming stand, naturgemäß, im Zeichen der Causa Prima, die den Titel "Eingefädelt oder nicht, das ist die Frage" trägt.

Durch den Fall laufen drei miteinander verwobene Handlungsstränge.

Strang eins: Die Suche nach dem Sender jener anonymen SMS, die den Anstoß gab, die angeblichen Einfädler von Marcel Hirscher und Felix Neureuther beim Slalom von Zagreb zu untersuchen. Die Untersuchung ergab laut Fis-Renndirektor Günter Hujara: Nicht eingefädelt.

Strang zwei: Die befürchteten Folgen der Wortmeldung von Ivica Kostelic in Kitzbühel. "Es ist nur ein Rennen, aber die Schande bleibt ewig", meinte der Kroate, der in Zagreb hinter den beiden Erstgenannten Dritter wurde.

Strang drei und Kern der Geschichte: Die Schwierigkeit, auch bei wiederholten Sichtungen von Videomaterial, festzustellen, ob ein Läufer eingefädelt hat oder nicht. Hujara nahm ja Hirscher nach seinem ersten Durchgang in Kitzbühel vorübergehend aus der Wertung, ehe er dann doch das korrekte Passieren des Tores erkannte. Im zweiten fädelte Hirscher echt ein und hielt nicht an.

45.000 Zuschauer werden heute zum Nachtslalom in Schladming erwartet, nicht wenige davon aus Kroatien. Weshalb Hans Pum, der Sportdirektor im Österreichischen Skiverband, quasi zur Verbeugung kalmiert, eingangs zu Strang zwei Stellung nimmt: "Wir haben ein freundschaftliches Verhältnis zum kroatischen Skiverband. Man hilft sich gegenseitig aus. Die Aussage von Ivica war deshalb sehr unnötig. Wir brauchen im Skisport keinen Chauvinismus. Wir brauchen, dass der Sport fair ist und dass sich Sportler gegenseitig schätzen."

Benjamin Raich, mit vier Siegen (1999, 2001, 2004, 2007) quasi König von Schladming: "Wir wollen ein Skifest feiern. Emotionen sind gut, aber ich will nicht, dass Zuschauer, kroatische und österreichische, gegeneinander sind. Ich glaube, sie sind vernünftig genug." Zu Strang eins meint Pum: "Die Frage ist, warum gerade vor den für uns so wichtigen Rennen in Kitzbühel und Schladming diese SMS gekommen ist, warum gerade jetzt versucht wird, einen Keil in die Mannschaft zu treiben. Wir werden alles daran setzen, dass wir herausfinden, woher die SMS kommt." Zum Verdacht, sie stammt aus dem eigenen Lager, nahm der Direktor desselben nicht Stellung. Ad Strang drei: "Es wird immer schwieriger. Sogar Hujara hat seine Meinung revidiert, und das heißt viel. Da muss man sich was einfallen lassen."

Cheftrainer Mathias Berthold: "Wenn jemand spürt, dass er einfädelt, dann bleibt er stehen. Wenn sich ein Läufer nicht sicher ist, muss er weiterfahren." Hirscher, der etwa am Lauberhorn einfädelte, weiterfuhr und dann disqualifiziert wurde, versichert, dass er das nicht merkt. "Ich spüre bei jedem dritten Tor was, ich weiß nur nicht, was es ist", sagt er, der eindeutig einen anderen, aggressiveren, direkteren Fahrstil als die meisten seiner Kollegen pflegt und auf die Tore richtig draufknallt.

Hirscher und Kostelic haben am Montagnachmittag ein rund halbstündiges Gespräch geführt. Der Österreicher und der Kroate zogen mittels Handschlag bei der offiziellen Startnummernauslosung im Zentrum von Schladming einen Schlussstrich unter die Einfädler-Affäre.  "Wir haben uns ausgesprochen. Wir verstehen und akzeptieren die Meinungen und Ansichten des anderen", sagte Hirscher danach. Wichtig war den Athleten, Verbänden und dem Weltverband (FIS), den Zündstoff vor dem Nachtslalom zu entschärfen. "Es darf kein schlechter Stern über diesem Rennen sein", meinte Hirscher. Zudem hat der kroatische Verband nach gemeinsamem und detailliertem Videostudium das Ergebnis des Slaloms am 5. Jänner in Zagreb als regulär bezeichnet und anerkannt.

"Ich habe ein linientechnisches Problem", sagt Hirscher. "Und ich habe überlegt, ob es nicht gescheiter ist, etwas Speed wegzunehmen. Doch grundsätzlich taugt mir diese Einstellung nicht. Wenn du zum Taktierer wirst, verlierst du das Rennfahrerblut." (DER STANDARD, Printausgabe, 24.1.2012)