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Wolfgang Schäuble (links) und François Baroin tüfteln an einem EU-Wachstumspakt.

Foto: Reuters/Pascal Rossignol

Die Ausklammerung von Derivaten und anderen außerbörslich gehandelten Finanzprodukten von einer Besteuerung brächte Nachteile, wäre laut Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller aber wenigstens ein Anfang.

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Brüssel/Wien - Deutschland und Frankreich wollen kleinere Brötchen backen. Zumindest bei der Finanztransaktionssteuer (FTS). Eine EU-weite Einführung der Abgabe scheitert am Widerstand Großbritanniens, Schwedens und einiger osteuropäischer Staaten. Ein Alleingang der Eurozone würde zur Verlagerung von Finanzgeschäften nach London, New York und diverse asiatische Handelsplätze führen. Daher kommt nun eine FTS light, besser gesagt die konventionelle Börsenumsatzsteuer (BUSt) auf das Tapet.

FDP-Chef Philipp Rösler hat das Instrument als Alternative in die Diskussion eingebracht und Lob von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geerntet. Berlin hofft, London mit ins Boot holen zu können, weil das Königreich bereits jetzt über eine Börsensteuer verfügt. Konkret werden seit dem 17. Jahrhundert 0,5 Prozent auf Handelsumsätze aufgeschlagen. Wegen der vielen Ausnahmen - beispielsweise für ausländische Akteure - ist das Aufkommen aus der Abgabe mit umgerechnet vier Milliarden Euro im Jahr gemessen an den riesigen Umsätzen gering.

Eine europaweite BUSt ist in den Augen von Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller nur die zweitbeste Lösung, "aber immer noch besser als nichts", wie sie dem Standard sagte. Dass die Abgabe auf Aktien die Eigenkapitalaufbringung erschwere und damit schädlich für den Wirtschaftsstandort sei, glaubt die Finanzreferentin nicht. Die Börsenumsatzsteuer betreffe den Handel, nicht die Ausgabe von Wertpapieren. Das österreichische System erscheint aus diesem Blickwinkel falsch aufgestellt zu sein: Während die Kapitalaufbringung durch die Gesellschaftssteuer mit ein Prozent belastet wird, ist der Handel befreit.

Sieben Länder besteuern

Eine reine BUSt heben derzeit sieben EU-Länder ein, neben Großbritannien sind das Belgien, Portugal, Irland, Zypern, Griechenland und Polen. Der Steuersatz variiert zwischen 0,00225 Prozent in Portugal und ein Prozent in Polen. Die Schweiz besteuert Handel wie Emission von Wertpapieren und erlöst damit jährlich drei Mrd. Franken (2,48 Mrd. Euro). Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte am Montag aus einem FDP-Papier, wonach eine europaweite BUSt Einnahmen im deutlich zweistelligen Milliardenbereich bringen könnte.

Deutschlands Finanzminister gab sich zu dem Thema am Montag bedeckt. Zum Zeitplan meinte er, dass er noch im ersten Quartal des Jahres Klarheit haben wolle, ob die Finanztransaktionssteuer europaweit eingeführt werden könne. Schäuble beriet sich vor dem Euro-Finanzministertreffen mit seinem französischen Pendant François Baroin.

Wichtige Themen neben der FTS: Ein Wachstumsfonds für die EU, bei dem nicht ausgeschöpfte Regionalfördermittel zur Konjunkturbelebung in Krisenstaaten mobilisiert werden sollen; die Ausgestaltung des Fiskalpaktes (siehe untenstehendes Wissen); die Arbeitsweise des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM).

Forderungen aus Italien und von Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde und offenbar auch der Europäischen Zentralbank, den ESM aufzustocken, wurden von Schäuble und Merkel zum jetzigen Zeitpunkt zurückgewiesen. Italiens Regierungschef Mario Monti schwebt eine Verdoppelung der Kapazitäten auf eine Milliarde vor, Lagarde legte sich nicht fest. Allerdings bekräftigte die deutsche Kanzlerin, die Gründung des permanenten Rettungsschirms auf Jahresmitte vorzuziehen und auch die Eigenmittelausstattung des Fonds zu beschleunigen. Er soll im Unterschied zum Provisorium EFSF (European Financial Stability Facility) mit 80 Mrd. Euro Eigenkapital ausgestattet werden, wovon Österreich 2,2 Milliarden beisteuern soll. Die Mittel erhöhen das Defizit nicht, sehr wohl aber den Schuldenstand. Der ESM und der neue Fiskalpakt sind dabei eng aneinander gekoppelt.

Proteste in Italien

Nicht gerade beflügelt wurden die Aussichten auf ein rasches Ende der Krise in Spanien. Die Notenbank des Landes revidierte ihre Wachstumsprognose auf minus 1,5 Prozent im laufenden Jahr. In Italien werden die Reformen von zahlreichen Berufsgruppen torpediert. Lastwagenfahrer blockierten die Straßen des Landes aus Protest gegen höhere Spritsteuern. Auch Eisenbahner, Tankstellenbetreiber, Apotheker und Rechtsanwälte wollen streiken. Angesichts des erbitterten Widerstands erscheint fraglich, ob Monti das Paket durch das Parlament bringen wird. (as, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.1.2012)