Griechenlands Finanzministerium hat nun die "Liste der Schande" veröffentlicht, eine Übersicht über mehr als 4000 griechische Steuersünder. Das "Who's who" der Steuerpreller sorgt für einigen Wirbel in Griechenland, findet sich doch eine Reihe berühmter Sportler, Unternehmer oder Musiker in der Datei wieder - die zusammen mehr als 15 Milliarden Euro an Steuern schulden.

Doch so wichtig wie dieser Index als Fanal des Verfalls der Steuermoral auch ist: Ökonomisch kann sich Griechenland auch mit der vollständigen Eintreibung der offenstehenden Abgaben keineswegs aus der Krise befreien, zumal viele der Hinterzieher längst pleite und/oder inhaftiert sind. 15 Milliarden Euro, das sind knapp vier Prozent des gesamten Schuldenstands. Die Empörung über die Steuerhinterzieher kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Griechenland nicht wegen der Verfehlungen einer kleinen Gruppe vor dem wirtschaftlichen Scherbenhaufen steht, wenngleich Steuerhinterziehung als Volkssport gilt. Athen ist Opfer von Systemfehlern geworden.

Auf europäischer Ebene pochte man zu wenig auf ökonomische Nachhaltigkeit des politischen Projekts Eurozone. Aus Opportunismus wurden die Grundsätze der Währungsunion aus den Angeln gehoben. Auf griechischer Ebene wurde das Leben auf Pump mit Prosperität verwechselt. Ein ganzes Land folgte dem Irrglauben, dass Kapitalzufluss Strukturreformen und Produktivität ersetzen kann. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.1.2012)