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Auch dank des Tores von Saber Khelifa kann Tunesien relativ entspannt in sein zweites Turnierspiel gegen den Niger gehen, während Marokko gegen Gabun bereits ordentlich unter Druck steht.

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Haken und Ösen gab's vereinzelt schon auch im Stadion der Freundschaft zu Libreville: Younès Belhanda (Marokko) lässt den Tunesier Yacine Chikhaoui fliegen.

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Libreville/Bata - Am dritten Spieltag der 28. Afrikameisterschaft stand in der gabunischen Hauptstadt Libreville das maghrebinische Derby zwischen Marokko und Tunesien auf dem Programm. Obwohl sich beide Teams in der Qualifikation nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatten (Tunesien rutschte am Ende nur durch fremde Hilfe als Gruppenzweiter durch), zählen sie doch zum erweiterten Favoritenkreis. Zumindest das Viertelfinale muss es werden, dafür müssten in Gruppe C Ko-Gastgeber Gabun und der Niger ausgebootet werden.

Tunesiens Teamchef Sami Trabelsi musste am Montag auf seinen besten Schützen verzichten, Issam Jemaa (AJ Auxerre) ist verletzt und könnte bestenfalls in der K.o.-Phase zum Einsatz kommen. Sein Team gruppiert sich um einen Block von Espérance Tunis, sechs Spieler des afrikanischen Champions-League-Siegers stehen im Kader. Sein Gegenüber Eric Gerets setzt dagegen auf eine ausgewogene Mischung aus soliden Legionären und vielversprechenden Talenten. 44 Mal trafen die beiden Nationen in ihrer Fußballgeschichte bereits aufeinander, meistens ging es emotional und ausgeglichen zu (11 Siege Marokko, 8 Siege Tunesien, 25 Unentschieden). 2004 holte Tunesien beim Heimturnier den bisher einzigen Cup, der Finalgegner hieß damals: Marokko.

Vor eher schütter besetzten Rängen war der Beginn ein zerfahrener, mit den ersten Härteeinlagen warten beide Teams aber nicht allzulange zu. Gerets' Löwen vom Atlas waren zwar ewas mutiger, beinahe in Führung ging jedoch Tunesien, als Karim Haggui einen nach einem Corner aus kurzer Distanz einen halbhohen Ball direkt übernahm. Keeper Nadir Lamyaghri reagiert jedoch blendend und holt den Schuss des Verteidigers von Hannover 96 noch aus dem kurzen Eck (8.). Kurz darauf fand sich auf der anderen Seite Marouane Chamakh allein vor dem tunesischen Goal wieder. Anscheinend etwas überrascht, traf der womöglich namhafteste Marokkaner allerdings nur die Nase des tunesischen Keepers Aymen Mathlouthi, der dem Stürmer von Arsenal blitzschnell entgegengeeilt war.

Anlage vs Ökonomie

In der Folge blieb Marokko, dessen bisher einziger Titelgewinn bereits 36 Jahre zurückliegt, die aktivere Mannschaft. Trotzdem fiel die nächste Chance wieder den abgeklärteren Tunesiern zu. Mittelfeldspieler Zouheir Dhadouadi schaffte sich halblinks Raum und knallte aus gut 25 Metern mir nichts dir nichts an die Außenstange. Keeper Lamyaghri stand fassungslos, er hätte keine Chance gehabt, den Ball noch zu erreichen (22.). Nach einer halben Stunde dann die tunesische Führung: Khaled Korbi schupfte einen Freistoß vollständig harmlos Richtung Tormanneck, wo sich Lamyaghri vom hochspringenden Saber Khelifa derartig verunsichern ließ, dass der Ball passieren durfte (34.). Nur wenige Augenblicke später musste der marokkanische Keeper weit vor seinem Gehäuse in einen Zweikampf gegen Khelifa hetzen, den er mittels eines reschen Knochenbrecherpressballs für sich entschied.

Die beste Gelegenheit zum Ausgleich fand Younes Belhanda vor. Der junge Mann vom französischen Tabellenzweiten Montpellier tanzte mithilfe des ein- oder anderen Übersteigers elegant zwei Verteidiger aus, zwirbelte den Ball jedoch einen halben Meter am langen Eck vorbei (43.). In der letzten Aktion vor der Pause versuchte sich Chamakh an einer Wiederaufführung des Erfolgsstücks Die Hand Gottes, bugsierte den Ball jedoch im Gegensatz zum großen kleinen Vorbild über die Latte.

Gerets, der ehemalige belgische Weltklasseverteidiger und nunmehr mit allen Wassern gewaschene Coach, brachte zu Wiederbeginn Abdel Taraabt, um die Durchschlagskraft seiner Offensive gegen die so opportunistisch agierenden Tunesier zu erhöhen. Der Offensivmann der Queens Park Rangers zeigte sich auch gleich ein paar Mal sehr engagiert, um danach jedoch recht schnell wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Der Charakter des Geschehens blieb unverändert: Gegen weit zurückgezogene Adler von Karthago blieb Marokko zwar weiterhin jenes Team, das die Pace vorgab. Man agierte jedoch zu unpräzise, um die Tunesier wirklich in Bedrängnis bringen zu können. Diese begnügten sich mit gelegentlichen Gegenstößen, auch weite Zuspiele Richtung Khelifa fanden Verwendung.

Späte Hoffnung

Die Partie verflachte nun zunehmend. Der Passivität der Tunesier stand gepflegte Harmlosigkeit der Marokkaner gegenüber, die sich immer mehr in Einzelaktionen aufrieben. Nur selten ergaben sich Hingucker, wie jenen, als Youssouff Hadji eine schwierig zu verarbeitende Vorlage wunderbar mitnahm, an der Strafraumgrenze seinen Gegenspieler überhob - und den Ball weit am Kreuzeck vorbeizirkelte. Da wollte es wohl jemand zu genau nehmen und warf dabei jegliche Art von Schusshaltung über Bord. Eine Viertelstunde vor dem Ende erteilte sich die Taktik der Tunesier endgültig die Absolution: Youssef Msakni (Espérance) solierte bei einem der seltenen Vorstöße der Weißen am Strafraum entlang durch die naive marokkanische Abwehrreihe und stellte mit einem noch abgefälschten Schuss auf 2:0. Das Spiel schien entschieden.

Aber dann kam es doch noch, das nicht mehr für möglich gehaltene marokkanische Tor. Kapitän Houssine Kharja (Fiorentina) hatte am Fünfer stehend eingeschossen, die Vorlage per Kopf allerdings kam von Abdelhamid El-Kaoutari. Und der stand zu diesem Zeitpunkt im Abseits (86.). Die Emotionen kochten jetzt hoch. Es wurde geschubst, gestikuliert und der ein oder andere sank auch einmal gekonnt zu Boden. Marokko berannte mit dem Mut der Verzweiflung den tunesischen Strafraum. In der Nachspielzeit hatte Kharja tatsächlich den Ausgleich auf dem Fuß, setzte den Ball jedoch von der Strafraumgrenze über die Querlatte. Am Ende hatten die robusten Tunesier das bessere Ende für sich und behielten gegen einen vermutlich talentierteren Gegner knapp die Oberhand.

"Himmelfahrtskommando" hebt ab

Im ersten Spiel des Tages kam Gabun zum erhofften Erfolg über Niger, die große Unbekannte der Gruppe. Die Mannschaft des französisch-deutschen Fußballlehrers Gernot Rohr war beim 2:0 (2:0) klar besser, in einer einseitigen Begegung schossen Pierre Aubameyang (30.) vom AS St. Etienne und Stéphane N'Guema (45.) vom zweifachen gabunischen Meister US Bitam den Endstand bereits vor der Pause heraus. Niger, das sich zum ersten Mal für den Afrika-Cup qualifiziert hatte war viel zu ängstlich aufgetreten und kam kaum einmal aus der eigenen Spielhälfte heraus. Kaum zu glauben, dass diese Mannschaft sich in der Qualifikation gegen die Kapazunder Ägypten und Südafrika durchsetzen konnte. Auch dort hatte man allerdings in fremden Stadien keinen Blumentopf gewinnen können, allein die drei Heimsiege reichten für das Erreichen der Endrunde aus.

Gabun, das 2010 bereits in der Vorrunde die Segel hatte streichen müssen, hat für das Heimturnier den Einzug ins Halbfinale als Ziel ausgegeben. Rohr, ein Fachmann mit exzellentem Ruf und vielen Erfolgen (insbesonders mit Girondins Bordeaux), soll das möglich machen. Er ist seit 2010 als Nachfolger seines früheren Mitspielers Alain Giresse im Amt und Realist: "Wir sind international nur zweite Garnitur, haben fast noch nichts gewonnen. Es ist schon ein kleines Himmelfahrtskommando", sagte er über seine Aufgabe.

Andrang und eher keiner

In Äquatorialguinea war trotz des erfolgreichen Einstands des Cup-Debütanten (1:0 gegen Libyen) nicht alles eitel Wonne. Wie sich heraustellte, setzte die Polizei während der Partie am Samstag in Bata Tränengas ein, um eine aufgebrachte Menschenmenge davon abzuhalten, ins 35.000 Menschen fassende Stadion zu stürmen. Offenbar war der Zugang aufgrund verschärfter Sicherheitskontrollen sehr schleppend verlaufen.

Ein etwas anderes Problem wurde im pittoresken Stadion von Malabo offensichtlich. Am Fuß eines tropischen Berglandes im insularen Teil des kleinen Landes gelegen, erwies sich das mit einer Kapazität von 16.000 Plätzen sehr moderat dimensionierte Estadio Nuevo am Sonntag als viel zu geräumig. Nicht einmal die Stars der Elfenbeinküste, die dort in Gruppe B gegen den Sudan zu bewundern gewesen wären, erwiesen sich als zugkräftig. Nicht viel mehr als halbvoll wurde es, als Didier Drogba, Kolo Touré oder Salomon Kalou einliefen.

Nach wie vor ist es schwierig, beim Afrika-Cup Arenen zu füllen, wenn nicht gerade die Mannschaft des Gastgeberlandes spielt. Mitreisende Fans sind in weit geringeren Zahlen unterwegs als in Europa oder Südamerika. Hohe Kartenpreise, die schon einmal einen durchschnittlichen Wochenlohn eines Arbeiters verschlingen, sind dafür ebenso ein Grund wie komplizierte Einreiseregelungen und der eklatante Mangel an Unterkünften. (Michael Robausch, derStandard.at - 23.1. 2012)

ERGEBNISSE, Gruppe C:

Marokko - Tunesien 1:2 (0:1)

Gabun - Niger 2:0 (2:0)