Porto Alegre/Sao Paulo - Tausende Globalisierungskritiker haben zum Auftakt das Weltsozialforums in Brasilien gegen neoliberale Wirtschaftspolitik protestiert und mehr soziale Gerechtigkeit eingefordert. An einem Eröffnungsmarsch durch Porto Alegre nahmen am Dienstag bei heißen Temperaturen von 35 Grad Studenten, Indios, Gewerkschafter, Kirchenvertreter und Umweltschützer teil. Das fünftägige Treffen steht unter dem Motto "Kapitalistische Krise, soziale und ökologische Gerechtigkeit".

Der Chef der Welternährungsorganisation (FAO), Jose Graziano, forderte zum Auftakt eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft: "Der Kampf gegen den Hunger ist nicht ein Kampf einer einzelnen Regierung. Es ist die Gesellschaft, die vereint entscheidet, dass der Hunger aufhört." Der FAO-Etat von etwa einer Milliarde Dollar sei zu klein für die Herausforderung, einer Milliarde hungernden Menschen zu helfen.

Das Forum begann einen Tag vor dem Weltwirtschaftsforum, das am Mittwoch von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Schweizer Kurort Davos eröffnet wird. Bis Sonntag werden Zehntausende Teilnehmer erwartet. Die Proteste richteten sich am Dienstag unter anderem gegen die laufenden Bauarbeiten für das umstrittene drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt, "Belo Monte", im brasilianischen Amazonas-Gebiet sowie gegen die Aufweichung des Waldschutzes durch die geplante Änderung des Waldgesetzes (Codigo Florestal).

Zudem protestierten die Teilnehmer gegen Zwangsumsiedlungen im Zuge der Bauarbeiten für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Auch die Finanzkrise in der Euro-Zone wurde thematisiert. Die Demonstranten machten das "neoliberale Modell" für die Krise und die daraus resultierenden Sparmaßnahmen verantwortlich.

Bis Sonntag stehen in Porto Alegre und drei angrenzenden Städten zahlreiche Aktivitäten auf dem Programm, darunter Workshops, Podiumsdiskussionen, Vorträge und Ausstellungen. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff reist nicht nach Davos, sondern am Donnerstag zum Forum nach Porto Alegre, wo 2001 das Weltsozialforum gegründet wurde.

Die Forumsteilnehmer wollen ein Alternativprogramm zu dem im Juni in Rio anstehenden UN-Umweltgipfel "Rio+20" erarbeiten, zu dem über 100 Staats- und Regierungschefs erwartet werden. Kritiker hatten einen ersten Deklarationsentwurf für den Gipfel als Enttäuschung bezeichnet. Der portugiesische Soziologe Boaventura Sousa Santos warnte in Porto Alegre, "Rio+20" werde lediglich den Kapitalismus bestätigen. Ein "grüner Kapitalismus" sei keine Lösung für die Probleme der Armen, der Umwelt oder der Menschenrechte. "Wir müssen andere ökologische, postkapitalistische Modelle finden."  (APA)