Ein Wind der Revolte in Algerien.

Cartoon: Dilem www.liberte-algerie.com

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Die Karikatur, die Plantu, der Chefzeichner der französischen Tageszeitung Le Monde, seinem algerischen Kollegen Dilem am vergangenen Samstag in dessen Hausblatt Liberté widmete, bringt es auf den Punkt: Ein sichtlich erschrockener Sarkozy sitzt am Schreibtisch und liest Zeitung: "Dilem auf der Seite 1 von Le Monde, ich bin am Ende", stammelt er. Auf dem Boden an den Schreibtisch gelehnt entgegnet der sichtlich erleichterte, algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika: "Für mich bedeutet dies Ferien."

Am gleichen Tag ziert eine Zeichnung von Ali Dilem die Titelseite von Le Monde. Ein französischer Panzer auf der Suche nach dem Ausweg aus dem verfahrenen Afghanistankrieg.

Es sind die ersten beiden Karikaturen eines ungewöhnlichen Projektes. Plantu und Dilem tauschen anlässlich des 50. Jahrestages der algerischen Unabhängigkeit ihren Arbeitsplatz. Es ist vor allem eine Hommage an Dilem, der es wie kein zweiter verstand, mitten in den dunklen 1990er Jahren mit ihren islamistischen Massakern und Bombenanschläge, Razzien und militärischen Übergriffen, seine Landsleute trotz der nationalen Tragödie zum Lachen zu bringen.

Tag für Tag karikiert er die algerischen und internationale Aktualität mit seiner spitzen Feder. Eine Wahlurne als Zisterne einer Klospülung – Wahlplakate der Präsidentschaftskandidaten, unter ihnen der heutige Präsidenten Bouteflika, davor eine Dirne, die ihre Dienste anbietet. Zwei Algerier laufen vorbei. Der eine: "Hast du die Nutte gesehen?" Entgegnet der andere: "Welche?" – Islamisten und Militärs, die mit abgeschnittenen Köpfen Billard spielen.

Eine Schafherde am Tag des muslimischen Opferfestes. Ein Schaf stellt die Frage, die in den dunklen Jahren in aller Munde war: "Wer tötet wen?" Ein anderes gibt die einfache Antwort: "Hier töten alle!"

Ein Amerikaner lobt gegenüber einem Algerier das Wahlsystem in den USA: "Wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale wissen wir dank Umfragen bereits das Ergebnis." – "Das ist gar nichts", entgegnet der Algerier. "Bei uns wissen wird das schon sechs Monate im Voraus."

Am Tag als Saddam Hussein im Irak gefangen genommen wurde, zeichnet Dilem unter dem Titel: "Arabischer Diktatur verhaftet" das Amtszimmer von Bouteflika. Eine Frau spickt durch die halb offene Tür und sieht den algerischen Präsident am Schreibtisch. "Scheiße, der Falsche!" sagt sie enttäuscht.

"Dilem ist ein einzigartiger Zeichner. Schon in seinen jungen Jahren, brach er ein enormes Tabu in seinem Land Algerien: Er wagte es den Präsidenten zu zeichnen", stellt Plantu seinen Kollegen vor. Seit Ali Dilem Anfang der 1990er seine ersten zeichnerischen Schritte machte, legte er sich mit mehreren Präsidenten an. Er lacht über die allmächtige algerischen Generäle, macht sich über die Islamisten lustig, karikiert den bewaffneten Untergrund, kritisiert andere arabische Herrscher, die UNO, Vertreter der europäischen Politik ...

Immer wieder sprachen Vorbeter Todesurteile gegen ihn aus. Zum letzten Mal 2004. Doch Dilem zeichnet weiter. "Die Welt, die uns umgibt, amüsiert uns, bevor wir uns empören", beschreibt der in Algier geborene und aufgewachsene französische Schriftsteller Louis Gardel den Humor der Stadt, die er nach der Unabhängigkeit vor 50 Jahren verlassen musste.

Alle algerische Tageszeitungen haben einen Karikaturisten angestellt. Doch wie Dilem hat es keiner verstanden, den von Gardel so treffend beschriebenen Humor der Algérois, der Einwohner Algiers, umzusetzen. (Reiner Wandler, derStandard.at, 24.1.2012)