Lichtfeldkameras liefern vierdimensionale Bilder

Foto: Universität Linz

Digitalkameras liefern nur zweidimensionale Bilder. In Lichtfeld-Kameras kommen zu den x- und y-Koordinaten eines Pixels zwei weitere Dimensionen dazu: die Richtungskoordinaten des einfallenden Lichts. Solche vierdimensionalen Aufnahmen werden Lichtfelder genannt. Sie ermöglichen Fotos, bei denen man Fokus, Perspektive und Blende nachträglich ändern kann, und gelten als Zukunftsfeld der Digital-Fotografie. Wissenschafter der Universität Linz haben nun erstmals Software-Algorithmen entwickelt, mit denen sich solche Bilder verzerrungsfrei vergrößern bzw. verkleinern lassen.

Kommerzieller Einsatz

Die Lichtfeld-Fotografie ist schon länger bekannt, auch kommerzielle Kameras gibt es bereits. Für breite Verbraucherkreise sind diese aber zu teuer. Vergangenen Herbst hat die US-Firma Lytro angekündigt, Anfang 2012 die erste erschwingliche Lichtfeld-Kamera (Kosten je nach Speicherplatz zwischen 399 und 499 Dollar) auf den Markt zu bringen. Herkömmliche Digicams bündeln das Licht eines fokussierten Punktes auf einem Pixel des Bildsensors. Die Information, wie viel Licht aus welcher Richtung einlangt, geht dabei verloren. In Lichtfeld-Kameras erhält man dagegen durch spezielle optische Elemente, wie ein dem Bildsensor vorgeschaltetes Mikrolinsenfeld, auch die Information, "aus welcher Richtung welcher Lichtanteil kommt", so Oliver Bimber vom Institut für Computergrafik der Universität Linz im Gespräch mit der APA.

Mehr Möglichkeiten

Solche vierdimensionalen Bilder, die diese Informationen enthalten, können deutlich mehr als herkömmliche zweidimensionale Digitalfotos. Man kann im Nachhinein nicht nur Fokus und Perspektive ändern, sondern auch Abbildungen mit sehr großer Tiefenschärfe errechnen. Konkret kann man beispielsweise beim Weihnachtsfoto die Personen im Bild oder den Christbaum scharfstellen, die Personen frontal oder auch leicht im Profil vor dem Christbaum zeigen bzw. sowohl die Personen als auch den Christbaum scharf bekommen.
Während solche Möglichkeiten die herkömmliche Digital-Fotografie alt aussehen lässt, gibt es bei der Verarbeitung von Lichtfeld-Bildern noch Probleme. So können derzeit Digitalfotos, die in einem bestimmten Seitenverhältnis aufgenommen wurden, später verzerrungsfrei einfach auf Displays mit anderen Seitenverhältnissen dargestellt werden. Diese "Retargeting" genannte Technik kann aber nicht ohne weiteres auf Lichtfeldern angewendet werden. 

Algorithmus

Die Wissenschafter am Institut für Computergrafik der Uni Linz haben Software-Algorithmen entwickelt, die das verzerrungsfreie Strecken und Stauchen von Lichtfeldern ermöglichen. Mit diesem nach Angaben der Forscher weltweit erstem Retargeting-Verfahren für Lichtfelder lassen sich Aufnahmen aus einer Lichtfeld-Kamera auf beliebige Seitenverhältnisse anpassen, ohne wichtige Inhalte zu verzerren. Dabei werden hintergründige Bildinhalte, die für das menschliche Auge zunächst unwesentlich erscheinen, zuerst gestaucht, bevor wesentliche Bildinhalte wie Gesichter oder Objekte verzerrt werden, erklärt Bimber gegenüber dem WebStandard. Wie weit skaliert werden kann, hänge schlussendlich von den Bildinhalten ab. Ab einem gewissen Grad der Stauchung oder Streckung könne auch das Retargeting-Verfahren Verzerrungen nicht ausschließen.

Aufbruchstimmung

Bimber ist überzeugt, dass sich in den nächsten Jahren im Bereich der Digitalfotografie "einiges tun wird". Unter dem Oberbegriff "computational photography" würden Kamerasysteme stehen, die fähig sind, mehr Informationen aufzunehmen als heutige Fotoapparate, wie etwa die Lichtfeld-Fotografie.

Die Lytro-Kamera sei vor allem deshalb interessant, weil diese die Lichtfeld-Fotografie erstmals "leistbar" mache. Das von Bimber und dessen Kollegen entwickelte Retargeting-Verfahren sei hingegen vor allem ein Forschungsprojekt, das im derzeitigen Stadion nicht für den kommerziellen Einsatz gedacht sei. Sollte sich ein Anbieter dafür interessieren, würde man die Ausarbeitung der Software zu einem einsatzfähigen Produkt aber "unterstützen", so Bimber. (APA/zw)